201212xx tz interview: Wir kommen sicher noch mal

tz-Interview, Teil 2

Lahm: "Wir kommen sicher noch mal ins Finale"

Aktualisiert: 09.01.14 10:24

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„Es gibt Wichtigeres im Leben als Titel, definitiv“, sagt Philipp Lahm im Interview mit der tz

© sampics

München - In Teil 2 des großen tz-Interviews spricht Philipp Lahm über das verlorene Champions-League-Finale, die laufende Saison und das Leben in seiner jungen Familie - Windelwechsel inklusive.

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Philipp Lahm (Mitte) mit den tz-Redakteuren Michael Knippenkötter (l.) und Jan Janssen

© sampics

Am Freitag (20.30 Uhr, Allianz Arena, bei tz-online im Live-Ticker) beendet der FC Bayern gegen Mönchengladbach die Hinrunde – gegenüber der tz (Teil 1 des großen Interviews lesen Sie hier) zieht Kapitän Philipp Lahm seine ganz persönliche Jahresbilanz.

Herr Lahm, 2012 ist so gut wie rum. Was bleibt letztlich für Sie? War es ein erfolgreiches Jahr?

Lahm: Nein. Denn mit dem FC Bayern muss man immer Titel gewinnen. Das haben wir verpasst, daher kann es kein erfolgreiches Jahr gewesen sein.

Viele sagen, drei Finals gespielt zu haben – das ist doch gar nicht so schlecht!

Lahm: Trotzdem ist es kein Erfolg. Zum FC Bayern gehören Titel, das weiß jeder, die Jungs wachsen hier damit auf. Thomas Müller, Toni Kroos oder Holger Badstuber – sie alle wissen, worum es geht. Wir haben es versäumt, einen Titel zu gewinnen. Es war also keine erfolgreiche Rückrunde, kein erfolgreiches Halbjahr. Bei der Hinrunde sieht es nun anders aus.

Das große Spiel des Jahres war das Finale dahoam. Wie und wann haben Sie das für sich verarbeitet?

Lahm: Das ging recht schnell. Man setzt sich ja neue Ziele. Für mich wäre es schlimmer gewesen, wenn wir nach diesem Endspiel normalen Urlaub gehabt hätten, vier Wochen lang. So habe ich mich direkt auf die EM fokussiert.

Da gab es den nächsten Niederschlag – und dann hatten Sie diese vier Wochen Urlaub. Wie war das?

Lahm: Es ist nicht so, dass das sofort vergessen ist. Aber ich denke sofort an das Positive! Ich werde mein ganzes Leben lang an das Champions-League-Finale zu Hause in München denken – und nicht ausschließlich negativ. Wir haben eine Saison lang hingefiebert, dorthin zu kommen. Und wir haben es geschafft! Das ist was Besonderes!

Aber Sie haben verloren.

Lahm: Ja, das war dramatisch und bitter. Aber man darf das Positive nicht vergessen! Das Gleiche gilt für die EM: Da sind wir nicht gegen eine bessere, wir sind gegen eine cleverere Mannschaft ausgeschieden. War das ein Tiefschlag? Ich weiß nicht. Aber ich war enttäuscht, ja.

Kommt in den Wochen der Ruhe nicht der böse Gedanke auf, dass Sie Ihre große Karriere womöglich ohne internationalen Titel beenden müssen?

Lahm: Nein. Der Gedanke kam bei mir überhaupt nicht auf. Denn ich weiß, was wir für eine Stärke haben beim FC Bayern. Der Verein ist großartig aufgestellt, in allen Bereichen. Das muss man noch forcieren, dann bin ich sicher, in den nächsten drei, vier Jahren noch mal ins Champions-League-Finale zu kommen. Ob man dann gewinnt, ist wieder eine andere Frage. Das weiß man im Fußball nie.

Aber die Zeit läuft Ihnen weg…

Lahm: Es kann irgendwann sein, dass ich aufhöre und keinen internationalen Titel gewonnen habe, ja. Aber bis dahin werde ich alles geben, um diesen Titel zu gewinnen.

Aber das würde schon schmerzen, oder?

Lahm: Es gibt Wichtigeres im Leben, definitiv.

Nach der WM 2010 haben Sie von einem großartigen Teamgeist gesprochen. War dieser Geist 2012 genauso da in Polen?

Lahm: Wir hatten auch 2012 eine gute Stimmung. Es war aber eine andere. 2010 waren neue Spieler am Zug, dann haben wir gewonnen, es hat alles gepasst, wir haben die großen Gegner geschlagen! Dieses Jahr hatte man vor dem Turnier 20 Spieler, von denen fast jeder von Anfang an hätte spielen können. Außerdem war der Druck, die Erwartungshaltung eine ganz andere.

Und deswegen die Enttäuschung besonders groß?

Lahm: Ja, das denke ich schon. Wenn man gegen Spanien ausgeschieden wäre – okay, das ist eine Topmannschaft, die noch einen Tick weiter ist als wir. Aber Italien? Die haben keine besseren Einzelspieler, die waren keine bessere Mannschaft. Aber sie haben cleverer gespielt. Und so sind wir ausgeschieden. In Zukunft müssen wir es hinbekommen, diese Spiele zu gewinnen.

Herr Lahm, wie war 2012 für Sie privat? War die Geburt Ihres Sohnes im August das einschneidendste Erlebnis Ihres Lebens?

Lahm: Ja, natürlich. Wobei ich denke, dass eine Hochzeit auch immer etwas Besonderes ist. Man hat ja nicht vor, das häufiger zu machen (lacht). Aber klar: Ein Kind zu bekommen, das ist etwas ganz Bedeutendes.

Waren Sie bei der Geburt dabei?

Lahm: Selbstverständlich.

Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?

Lahm: Es ist ganz anders. Man hat eine ganz andere Verantwortung. Das gilt auch für meine Frau. Wir sind rund um die Uhr mit unserem Sohn beschäftigt.

Bedeutet das auch weniger Schlaf für Sie?

Lahm: Das hält sich zum Glück in Grenzen. Julian ist sehr, sehr pflegeleicht.

Wer steht in der Nacht auf – Sie oder Ihre Frau?

Lahm: Das kommt drauf an…

Sie sind also auch mal um 4 Uhr morgens unterwegs?

Lahm: Ich war auch schon um eins unterwegs und auch mal um sechs. Aber wir wechseln uns da gut ab.

Wechseln Sie auch Windeln?

Lahm: Habe ich auch schon gemacht, ja.

Und hat’s funktioniert?

Lahm: Absolut. Ich glaube sowieso, die Väter von heute sind da anders als früher. Heute ist der Vater vielleicht ein bisschen mehr gefordert als früher. Damals hat er sich ein wenig mehr gedrückt, das ist heute anders.

Wenn das Training vorbei ist, geht es also direkt nach Hause zum Spielen?

Lahm: Ja klar, da freue ich mich immer sehr drauf! Schöner ist es nur, wenn man mal zwei, drei Tage weg ist und dann nach Hause kommt.

Haben sich Ihre Prioritäten verschoben? Denken Sie anders nach über Eurokrise, Schuldenberge?

Lahm: Es ist doch immer wichtig, dass man die Augen offen hält und sich informiert, was in der Welt passiert. Seit ich Vater bin, verfolge ich vielleicht intensiver, was in Zukunft geschehen wird.

Macht es Ihnen Sorgen?

Lahm: Nein. Ich bin sehr zuversichtlich. Unsere Regierung hat das alles ganz gut in der Hand.

Sprechen wir über die Hinrunde. Was macht Ihnen Hoffnung, dass Sie den Vorsprung verteidigen werden?

Lahm: Vor allem unsere Defensivarbeit und unser Umschaltspiel. Das machen wir definitiv besser! Wir müssen genauso weiter arbeiten. Und natürlich ist den Spielern noch im Kopf, was letzte Saison passiert ist, als wir diesen riesigen Vorsprung aus der Hand gegeben haben. Da ist jeder Spieler gewarnt, das merkt man auch in jedem Spiel!

Der Hunger nach zwei Jahren ohne Meistertitel ist größer?

Lahm: Nein, der Hunger war letzte Saison auch da. Aber vielleicht war es letztes Jahr wirklich so, dass die Champions League doch ein bisschen wichtiger war für alle Beteiligten. In dieser Saison will jeder unbedingt wieder Meister werden.

Es gibt Spieler beim FC Bayern, die kennen dieses Gefühl noch gar nicht. Luiz Gustavo, Manuel Neuer…

Lahm: Manuel Neuer ist jetzt ein Jahr bei uns. Wenn er im zweiten Jahr Meister wird, hat er nicht so viel falsch gemacht!

Er ist ja zu Bayern gekommen, um Meister zu werden…

Lahm: Und ich glaube, das wird er auch noch in seiner Karriere. Ich bin mir sogar zu 100 Prozent sicher. Ich denke, ich kann versprechen, dass Manuel Neuer in seiner Karriere mindestens einmal mit der Schale auf dem Rathausbalkon stehen wird!

Vermutlich schon nächstes Jahr. Welche Rolle spielt dabei Matthias Sammer? Was genau ist seine Aufgabe?

Lahm: Ich kann es nicht detailliert erklären. Aber man kann mit ihm über sämtliche Themen sprechen. Er sieht Dinge, spricht sie an bei den Spielern und natürlich am meisten bei Bastian und mir. So nimmt er Einfluss auf die Mannschaft.

Wie oft sprechen Sie?

Lahm: Regelmäßig. Er ist jeden Tag hier, wir sehen uns immer. Auch bei den Mannschaftssitzungen ist er dabei. Aber immer als Beobachter, nie als Redner.

Die Hinrunde war beinahe perfekt, oder?

Lahm: Absolut. Jetzt ist noch wichtig, dass wir drei Punkte gegen Gladbach holen und der Vorsprung bei elf Punkten bleibt. Dann können wir sehr, sehr zufrieden sein.

Letzte Saison haben Sie beide Spiele gegen Gladbach verloren.

Lahm: Ich glaube, es hat sich bei beiden Vereinen etwas geändert. Deswegen kann man es nicht vergleichen mit der letzten Saison. Außerdem: Wir spielen zu Hause in der Allianz Arena, wir wollen gewinnen – das werden wir zeigen! Und dann müssen wir genauso in die Rückrunde starten. Die anderen Teams dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie uns Punkte wegknabbern können.

Interview: Jan Janssen, Michael Knippenkötter

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