20121213 tz interview: Wir kommen sicher noch

tz-Interview mit Kapitän Lahm

"Ich will auch die Stehplätze!"

Aktualisiert: 13.12.12 11:46

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Volksnah: Philipp Lahm sucht den Kontakt zu den Fans - er war ja selbst mal einer

© mago

München - In Tagen, in denen viel über Fan-Dasein und Fan-Kultur gesprochen wird, bezieht Philipp Lahm zum Thema Stellung. Der Bayern-Kapitän spricht im tz-Interview über seine Erfahrungen als Fan.

Herr Lahm, es wird im Moment viel über die Fans in Deutschland diskutiert. Wie war es denn bei Ihnen? Waren Sie immer schon Bayern-Fan?

Lahm: Selbstverständlich. Aber mein Fan-Dasein war natürlich ein anderes, als das der meisten anderen. Ich kam ja mit elf Jahren zum FC Bayern. Da wurde ich erst Balljunge und als ich älter war, durfte ich bei Champions-League-Spielen die Fahne ins Stadion bringen. So hatte ich meinen Platz im Stadion immer sicher.

Wie hat sich das damals geäußert, dass Sie Bayern-Fan waren?

Lahm: Das war natürlich auch etwas anders als bei den meisten: Wir haben zu Weihnachten häufig Handtücher oder Bettwäsche geschenkt bekommen. Ich war also gut ausgestattet.

Sie hatten doch sicher auch ein Trikot. Wessen Name stand da hinten drauf?

Lahm (überlegt lange): Puh. Als Spieler hatte ich ja mein eigenes Trikot.

Hatten Sie ein Idol?

Lahm: Da gab es viele. Mehmet Scholl, auch Jürgen Klinsmann, Giovane Elber, Lothar Matthäus, Oliver Kahn.

Die hingen als Poster in Ihrem Zimmer?

Lahm: Ehrlich gesagt hatte ich mehr Basketball-Poster. Michael Jordan, Scottie Pippen, Dennis Rodman – die große Zeit der Chicago Bulls.

Können Sie sich noch an Ihr erstes Stadionerlebnis erinnern?

Lahm: Natürlich. Beim allerersten Mal war ich noch nicht bei Bayern. Aber die wollten mich holen – und da durfte ich Balljunge sein, im Olympiastadion. Ich war zehn, und das war natürlich sensationell!

Standen Sie später auch in der Kurve?

Lahm: Ja, Balljunge ist man immer nur in einer bestimmten Altersgruppe. Später bekamen wir dann Stehplatzkarten für die Südkurve. Und weil ich ja großer Fußballfan bin, bin ich auch gerne ins Stadion gegangen. In der Südkurve haben wir immer ganz unten gestanden, da war am meisten Platz. Wir waren ja Kinder, zwölf, dreizehn Jahre alt.

Gab es da auch brenzlige Situationen?

Lahm: Vielleicht ein bisschen, wenn es eng wurde. Aber da unten war es meistens relativ leer, wir brauchten keine Angst haben.

Wie wichtig sind die Stehplatz-Fans für den Fußball? Immerhin sorgen sie ja für die Stimmung…

Lahm: Sie sind sehr wichtig, das ist doch ganz klar. Diese Fans gehören ins Stadion, die machen die Stimmung. Aber: Es darf nicht gefährlich werden. Ich hoffe, dass die beste Lösung für alle Seiten gefunden wird. Klar ist: Ich will auch die Stehplätze! Das gehört für mich zum Fußball dazu. Ich habe ja als Kind auch auf dem Stehplatz gestanden. Deswegen gehört das für mich zum Fußball dazu. Aber, wie gesagt: Es muss sicher sein.

Ist es das denn nicht?

Lahm: Das kann ich nicht beurteilen. Weil ich schon lange nicht mehr auf einem Stehplatz gewesen bin.

Wie war es, als die Fans für zwölf Minuten und zwölf Sekunden ruhig waren?

Lahm: Das fühlen wir Spieler genauso wie jeder andere im Stadion. Jeder will doch ein ausverkauftes Stadion mit super Stimmung. Die Gesänge, die Sprechchöre, die Fahnen. Und wenn da Ruhe ist, dann ist das natürlich komisch, auch wenn es nur für zwei Minuten wäre.

Haben Sie Freunde, die in der Kurve stehen?

Lahm: Ich habe viele Freunde, die Stadion-Fans sind. Die gehen einfach gerne ins Stadion, die lieben die Atmosphäre. Die spielen teilweise selbst Fußball und wären froh, wenn da am Platz 100 Zuschauer wären.

Und wenn die ins Stadion gehen, dann fühlen die sich sicher?

Lahm: Von ihnen habe ich noch nie etwas anderes gehört. Ich denke, grundsätzlich kann man in Deutschland sicher in ein Fußballstadion gehen. Unsere Stadien sind relativ neu und daher würde ich auch davon ausgehen, dass sie sicher sind und einem normalen Besucher nichts passiert.

Warum wird dann in Deutschland so heftig diskutiert?

Lahm: Vielleicht, weil man die Befürchtung hat, dass es in die falsche Richtung gehen könnte und man dem schnell entgegenwirken will.

Haben Sie mal mit Mesut Özil oder Per Mertesacker über die Probleme in Spanien oder England gesprochen?

Lahm: Klar, haben wir uns darüber unterhalten. Zum Beispiel auch darüber, dass man in England zum warmmachen rauskommt und kaum ein Zuschauer da ist, weil das Stadion erst bei Spielbeginn voll ist. Das ist bei uns natürlich ein riesiger Unterschied.

Würden Sie mit Ihrer Familie ins Stadion gehen?

Lahm: Natürlich. Da hätte ich überhaupt keine Befürchtungen.

Und wenn ihr Sohn mit zwölf Jahren sagt: „Papa, ich geh jetzt in die Kurve?“

Lahm: Dann würde ich mir das vorher mal ansehen. In der Kurve ist das ja schon etwas anderes. Wenn man einen Sitzplatz hat, dann hat man Platz und sitzt sicher. Für mich als Kind war das in der Kurve toll damals, aber rückblickend würde ich sagen, wäre ein Sitzplatz vielleicht besser gewesen. Auch wegen der besseren Sicht aufs Spielfeld.

Und in zehn Jahren? Gehen Sie ins Stadion?

Lahm: Ich bin jemand, der sich das Spiel gerne analytisch anschaut. Für mich geht es da um mehr als nur um die Stimmung. Ich will die Taktik sehen und einen guten Blick aufs Feld haben. Ich weiß nicht, ob ich oft ins Stadion gehen werde. Ich liebe zwar die Atmosphäre, aber ich bin ein Fußballliebhaber und will dann auch Zeitlupen haben.

Es wird auch viel über Pyrotechnik geredet. Soll man die tolerieren? 

Lahm: Nein, denn es geht um die Sicherheit. Ich habe es miterlebt: es war in Mailand, wo oben gezündelt wurde und die Funken runter auf die unteren Tribünen gerieselt sind. Für mich ist das Wichtigste, dass es sicher ist im Stadion.

Interview: jj, mic


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