20160810/SZ/KHR: "Ich bin da ganz entspannt"

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10. August 2016, 19:03 Uhr

Karl-Heinz Rummenigge über Uli Hoeneß"Ich bin da ganz entspannt"

Wird Uli Hoeneß auch Aufsichtsratschef des FC Bayern? Und welche wichtige Rolle spielt bald Philipp Lahm? Im Interview blickt Karl-Heinz Rummenigge in die Zukunft des Münchner Spitzen-Klubs.

Interview von Christof Kneer

Karl-Heinz Rummenigge war im Ausland, aber er wusste natürlich Bescheid, als der FC Bayern am Montagnachmittag jene Nachricht verkündete, die keinen mehr groß überraschte: Uli Hoeneß kandidiert nach abgesessener Haftstrafe wieder fürs Präsidentenamt des e. V. Laut Klubsatzung ist mit diesem Amt automatisch ein Sitz im Aufsichtsrat der AG verbunden, allerdings nicht zwingend die Chefrolle in diesem neunköpfigen Gremium, in dem neben den vom FC Bayern entsandten Vertretern auch drei Vertreter der strategischen Partner Adidas, Audi und Allianz (Herbert Hainer, Rupert Stadler, Werner Zedelius) sitzen. Im SZ-Interview spricht Vorstandschef Rummenigge über Hoeneß' Rolle und Rückkehr, er nimmt Stellung zu ersten kritischen Stimmen, und er erklärt, warum er Philipp Lahm als Klubfunktionär der Zukunft sieht.

SZ: Herr Rummenigge, was glauben Sie: Wie wird das Wahlergebnis ausfallen, wenn Uli Hoeneß bei der Jahreshauptversammlung im November wieder fürs Präsidentenamt beim FC Bayern kandidiert?

Karl-Heinz Rummenigge (schmunzelt): Ich schätze, das wird so in Richtung DDR-Wahlergebnis gehen. Aber im Gegensatz zur DDR geht's bei uns demokratisch zu. Und Uli hat nun einmal diesen Stellenwert bei den Fans und Mitgliedern, er war immer sehr beliebt, und das auch zu Recht.

Im Fall Pep Guardiola haben Sie mal gesagt, Sie hätten etwa drei Monate vor der Verkündung ein Bauchgefühl dafür entwickelt, dass Pep gehen würde. Wann hat Ihr Bauch signalisiert, dass Uli Hoeneß wiederkommt? Oder war Ihnen das nach dem legendären "Das war's noch nicht"-Zitat schon vor Antritt der Haftstrafe klar?

Mir war schon klar, dass er das nicht zufällig gesagt hat. Aber niemand konnte genau wissen, wie Uli eine so schwere Zeit überstehen und ob sie ihn verändern würde. Mein Eindruck ist, dass die Entscheidung bei ihm erst in diesem Frühjahr wirklich gereift ist.

Das hieße: erst nach Ende seiner Haft- und Freigängerzeit im Februar.

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Uli hat immer glaubwürdig vermittelt, dass er sich alle Zeit lassen wolle, die er braucht. Und in den letzten Wochen hat er sich sicher auch noch einmal mit seiner Familie beraten. Aber er war ja schon seit Januar 2015 wieder bei uns im Haus ...

. . . als Freigänger in der Nachwuchsabteilung .

. . . . . ja, und da hat er sicher auch schon gut hingeschaut und sich überlegt, ob es ihm wieder Spaß machen könnte.

Wie sind Sie als langjähriger Wegbegleiter mit dieser Situation umgegangen? Haben Sie ab und zu mal reingehorcht und ein Gespräch über die Zukunft gesucht, oder haben Sie das Uli Hoeneß mit sich selbst ausmachen lassen?

Wenn ich ehrlich bin, habe ich ihn in dieser Frage in Ruhe gelassen. Wir haben uns natürlich regelmäßig über die Angelegenheiten hier im Klub ausgetauscht, aber es war nicht so, dass ich an seiner Bürotür mit den Hufen gescharrt und gefragt hätte: Uli, was ist denn jetzt? Ich habe auch in diesem Sommer, bevor wir beide in den Urlaub gegangen sind, nicht extra nachgebohrt. Wie gesagt: Ich habe ja ohnehin mit seiner Rückkehr gerechnet. Mein Bauchgefühl lag wie bei Pep auch diesmal richtig.

Es war wahrscheinlich auch nicht zu übersehen, dass Uli Hoeneß schon in seiner Freigänger-Zeit ein sehr aktiver Mitarbeiter der Nachwuchsabteilung war.

Sagen wir so: Er hat den FC Bayern in dieser Zeit nicht nur beobachtet.

Er hat am Trainingsgelände Flutlichtmasten versetzen lassen, damit die A-Junioren ihre Heimspiele wieder an der Säbener Straße austragen können.

In Wahrheit hat er das nur gemacht, damit die Montagskicker endlich mehr Licht haben (lacht).

Wer spielt denn bei diesen legendären Montagskickern noch mit?

Die gibt's inzwischen nicht mehr, weil Uli Hoeneß und ich aus Altersgründen den Spielbetrieb eingestellt haben. Jetzt haben wir Licht, aber keine Montagskicker mehr.

Dass Uli Hoeneß wieder antritt, hat der FC Bayern am Montag offiziell verkündet. Seit wann weiß es der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge?

Ich wusste, dass vor zwei Wochen, unmittelbar vor unserer Amerika-Reise, ein Vieraugengespräch zwischen Uli Hoeneß und Karl Hopfner (amtierender Präsident/ Anm. d. Red.) stattgefunden hat. In diesem Gespräch hat Uli mitgeteilt, dass er beschlossen hat, wieder zu kandidieren.

Karl Hopfner hat stets erklärt, er würde nie gegen Uli Hoeneß antreten, also dürfte ihm nach dem Gespräch klar gewesen sein, dass seine Zeit bei Bayern zu Ende geht.

Nicht unbedingt. Uli hat Karl Hopfner angeboten, erster Vizepräsident in seinem Präsidium zu werden.

Als erster Vizepräsident hätte Karl Hopfner laut Klubsatzung wie der Präsident weiter dem Aufsichtsrat angehört.

Richtig. Karl Hopfner hat sich deshalb auch eine Woche Bedenkzeit erbeten. Die ist vor ein paar Tagen abgelaufen, und da hat er Uli dann informiert, dass er alle seine Ämter niederlegen möchte.

Überrascht Sie das?

Nein, ich halte das eher für konsequent. Ich begrüße es sehr, dass das alles einvernehmlich und harmonisch zwischen Uli und Karl abgelaufen ist.

Von Karl Hopfners endgültigem Rückzug haben Sie also auch erst vor ein paar Tagen erfahren, nach Ablauf der Bedenkzeit?

Nein, Karl hat mich vor der Amerika-Reise informiert, dass er sein Amt bei der DFL (Deutsche Fußball Liga/Anm. d. Red.) niederlegen wird. Ich musste mich als Vorstandschef dann ja damit befassen, wer uns stattdessen bei der DFL vertritt, und das wird künftig unser Finanzchef Jan Dreesen sein. Auch in unserem Aufsichtsrat wird sich übrigens etwas verändern, weil neben Karl Hopfner auch unser erster Vizepräsident Rudi Schels im November nicht mehr kandidieren wird. Es wird also einen neuen Vizepräsidenten geben, der automatisch in den Aufsichtsrat aufrückt.

Der kleine Mann auf der Straße könnte jetzt sagen: War doch eh klar, dass das alles so kommt. Hopfner macht den Platzhalter, und dann kommt Hoeneß wieder.

Dass das alles eine abgekartete Nummer ist, muss ich dementieren. Das ging schon deswegen nicht, weil am Anfang niemand wissen konnte, wie lange die Sache mit Uli überhaupt dauert.

Und der Mann auf der Straße könnte sagen: Am Ende wird es natürlich auch so kommen, dass Uli Hoeneß kein normales Mitglied des Aufsichtsrates wird, sondern bestimmt wieder der Chef dieses Gremiums. Was sagt Ihr Bauch dazu?

Also, das würde mein Bauch möglicherweise bestätigen. Der Aufsichtsrat wählt seinen Vorsitzenden selbst, eine Lösung mit Uli an der Spitze wäre keine Überraschung. Man darf bitte nicht vergessen, dass 75 Prozent des Aktienkapitals dem FC Bayern München e. V. gehören.

Die öffentlichen Reflexe werden Sie sicher erahnen, erste Stimmen sind bereits zu vernehmen. Es wird eine große Debatte geben, ob ein Mann mit dieser Biografie der Chef eines solchen Kontrollgremiums sein darf. Was antworten Sie darauf?

Ich habe gerade einen guten Kommentar von Willi Lemke gelesen . .

. . . . Sie meinen den Bremer Willi Lemke, Hoeneß' ehemaligen Lieblingsfeind?

Ja, und dieser Willi Lemke hat sinngemäß gesagt, dass Uli seine Strafe abgesessen hat und im Sinne der Resozialisierung eine zweite Chance verdient. Das ist der richtige Gedanke, genau darum geht es doch. Aber natürlich nehme ich wahr, dass im Münchner und bayerischen Raum sehr viel Beifall geklatscht und in anderen Teilen der Republik auch der Finger gehoben wird. Aber das ist die Entscheidung der Mitglieder des FC Bayern München, und die gilt es demokratisch zu akzeptieren.

Rummenigge/Hoeneß: Das war früher ein altvertrautes Duo, und es wird jetzt ein neues Duo werden. Wird sich die Aufgabenteilung durch den veränderten Markt und Hoeneß' Auszeit verändern?

Qua Gremium erst mal nicht. Der Vorstand ist operativ tätig, der Aufsichtsrat kontrolliert, aber ich bin sicher kein Prophet, wenn ich vorhersage, dass Uli seine Rolle aktiver ausüben wird als Karl Hopfner. Aber Uli und ich haben viele Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet, und das wird auch wieder so sein, auch wenn wir früher nicht immer einer Meinung waren. Aber diese unterschiedlichen Ansichten waren oft auch fruchtbar für den Klub.

Wird es Uli Hoeneß' Aufgabe auch sein, dem "Mia san mia" wieder ein Gesicht zu geben - jenem Klubmotto, das angesichts des Strebens auf ausländische Märkte derzeit einige für gefährdet halten?

Die Internationalisierung des FC Bayern ist alternativlos, trotzdem wissen alle beim Klub, dass unsere Wurzeln in München und Bayern liegen. "Mia san Mia" ist übrigens auch in den USA und China bekannt. Die ganze Fußballwelt mag doch gerade unsere bayerische Kultur.

Und das soll Uli Hoeneß jetzt wieder verstärkt bedienen?

Ich glaube, der FC Bayern ist der einzige Klub auf diesem Niveau, der noch eigene Gesichter zu bieten hat. Auf unserer Amerika-Reise wurde ich immer als Chairman des Klubs vorgestellt, trotzdem haben die Leute gewusst, dass ich früher auch einmal Fußball gespielt habe. Für Uli gilt das genauso. Er wird sicher wieder ein emotionaler Faktor sein, aber man darf nicht vergessen, dass wir alle auch im positiven Sinne älter geworden sind. Ich glaube, dass Uli eher ein ausgleichendes Gewicht in der Vereinsführung sein wird. Wir haben es ja auch insgesamt gar nicht mehr nötig, so zu polarisieren wie früher. Inzwischen haben wir sogar zu Borussia Dortmund ein entspanntes Verhältnis (schmunzelt).

Sie haben den Klub in der Übergangszeit allein geführt, nun wird die Öffentlichkeit wieder eine Doppelspitze wahrnehmen. Müssen Sie wieder teilen lernen?

Erst einmal hat der Vorstand in den vergangenen drei Jahren operativ einen guten Job gemacht. Und eines hat Uli und mich doch immer verbunden: dass wir uns mit Leib und Leben und gegen alle Widerstände für das Wohl des FC Bayern eingesetzt haben. Und das wird so bleiben. Ich bin da völlig entspannt.

Hoeneß' Rückkehr lenkt davon ab, dass im Klub zurzeit eine Planstelle unbesetzt ist. Nach Matthias Sammers Abschied gibt es im Moment keinen Sportdirektor. Braucht der FC Bayern überhaupt einen, oder machen Hoeneß, Rummenigge, Dreesen und Kaderplaner Michael Reschke den Job künftig gemeinsam?

Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass ein Sportdirektor auch für den FC Bayern sinnvoll ist, aber einen guten kann man leider nicht in Oberammergau zum Schnitzen bestellen. Und wir wollten jetzt kurzfristig keinen bei einem anderen Klub rausholen. Deshalb haben wir uns entschlossen, zunächst ein detailliertes Jobprofil zu erstellen und danach in Ruhe einen geeigneten Kandidaten zu suchen.

Vermutlich noch zwei Spielzeiten unterwegs in kurzen Hosen, dann der Favorit für die Chefetage des FC Bayern: Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm.

 (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images) 

Für Sommer 2017 dann?

Ich kann da keine konkrete Zeitangabe machen, aber fest steht, dass ich zurzeit verdächtig oft in der Kabine bin, um mit Carlo Ancelotti über die Mannschaft zu sprechen. Das ist eigentlich nicht meine Hauptaufgabe.

Das liegt wahrscheinlich an Ihren Italienisch-Kenntnissen.

Wahrscheinlich. Manchmal sind Vorteile eben auch Nachteile.

Mit anderen Worten: Der FC Bayern wird Max Eberl also erst im kommenden Sommer aus Mönchengladbach wegholen.

Ganz ehrlich: Über Namen ist intern noch gar nicht diskutiert worden. Der Abschied von Matthias Sammer kam wirklich überraschend für uns, wir sind alle davon ausgegangen, dass er nach einer gewissen Auszeit wieder zurückkehrt. Der FC Bayern ist ja bekannt dafür, dass er für alle Fälle immer mal Alternativen in der Schublade liegen hat, aber auf diesen Abschied waren wir nicht vorbereitet.

Sie haben zuletzt mehrfach und in auffälliger Wortwahl Philipp Lahm gelobt, er sei "ein Gigant" des Vereins, der in eine Reihe mit Beckenbauer, Hoeneß, Rummenigge gehört. Lahms Spielervertrag läuft noch bis 2018. Muss er ein Jahr früher aufhören, damit er im nächsten Sommer Sportdirektor werden kann?

Philipp hat immer noch eine so hohe sportliche Qualität, dass wir auf den Spieler Lahm in den nächsten beiden Jahren auf keinen Fall verzichten wollen. Philipp ist als Rechtsverteidiger nach wie vor Weltklasse. Aber auch seine Entwicklung neben dem Rasen gefällt mir sehr, er ist auch für mich als Vorstandschef ein nicht nur angenehmer, sondern auch sehr qualifizierter Gesprächspartner. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass Philipp für den Verein in der Zukunft auch außerhalb des Platzes eine wichtige Rolle spielen könnte.

Uli Hoeneß ist bekannt dafür, dass er sehr aufs "Mia san mia" achtet. Müssen künftige Bayern-Funktionäre echte Bayern oder zumindest ehemalige Bayern-Spieler sein?

Der Idealfall wäre das natürlich, siehe Philipp Lahm, aber es ist nicht zwingend. Qualifikation geht immer vor Stallgeruch. Es gibt bei uns in der Mannschaft aktuell ein paar Burschen, die nicht in Bayern geboren wurden, aber nach zwei Jahren ganz genau wissen, wie der FC Bayern tickt.

Sie sind 60, Uli Hoeneß ist 64: Wird es in der nächsten Legislaturperiode auch Ihre gemeinsame Aufgabe sein, nach Nachfolgern Ausschau zu halten und sie womöglich im laufenden Betrieb schon einzuarbeiten? So nach dem Motto: Lahm wird erst mal Sportdirektor oder Verantwortlicher für den brachliegenden Nachwuchs, bevor er in den Vorstand der AG aufrückt?

Die Nachfolge ist sicher eine Aufgabe, der wir uns in nicht ferner Zukunft zu stellen haben, und bei Philipp kann ich mir gut vorstellen, dass er in so eine Rolle hineinwächst. Ich bin übrigens weit davon entfernt, uns für unersetzlich zu halten, und wissen Sie, warum?

Warum?

Ich war 1977 dabei, als Franz Beckenbauer nach Amerika gegangen ist, und ich sehe noch immer die Schlagzeilen vor mir: Das war's mit dem FC Bayern! Ich weiß noch, wie ich als junger Bursche gestaunt habe, dass es nach ein paar Monaten der Irritation wunderbar weiterging. Damals habe ich schon gedacht: Ein Verein, der so einen Abschied wegsteckt, der hat eine unglaubliche Kraft.


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