RHI interview: Wer führt, muss Spielregeln aufstel

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Interview mit Philipp Lahm, Kapitän des FC Bayern München und von 2010 bis 2014 der deutschen Fußballnationalmannschaft.

„Wer führt, muss Spielregeln aufstellen“

Roman Herzog Institut: Es gibt sehr viel Wissen über Führung. Gleichzeitig weisen Kritiker darauf hin, dass es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern Führungsdefizite gibt. Was ist Ihre Meinung dazu?

Philipp Lahm: Sicherlich gibt es nicht nur im Fußball, wo ich es unmittelbar erlebt habe, einen Wandel, der eine Anpassung im Führungsstil erforderlich macht. Die kommenden Generationen wachsen mit ganz neuen Möglichkeiten – vor allem im Bereich der Technik – auf, sie organisieren ihren Alltag anders. Sie fordern zunehmend die Flexibilität, die sie in vielen Bereichen kennen, auch von bestehenden Organisationen, von ihren Arbeitgebern oder in der Politik. Eine solche Anpassung ist ein Prozess, der dauert.

Meiner Meinung nach ist das zentrale Thema moderner Führung Kommunikation. Probleme entstehen dann, wenn der jenige, der die Entscheidungen trifft, nicht alle relevanten Informationen vorliegen hat. Deshalb braucht es einen Dialog zwischen denen, die Erfahrung und Wissen haben, und der obersten Instanz, welche den Überblick hat und die Strategie festlegt. Dabei sollten die Interessen der Mehrheit berücksichtigt werden. Ich denke, in Deutschland gelingt diese komplexe Abstimmung vergleichsweise sehr gut.

RHI: Ist Führung schwierig und wenn ja, was macht Führung schwierig?

Lahm: Ja. Führen bedeutet für mich vorangehen, Vorbild in der eigentlichen Sache sein. Nur über die eigene Leistung rechtfertigt sich ein Führungsanspruch. Das ist immer eine Herausforderung und braucht deshalb Disziplin, Klarheit, Durchsetzungsvermögen und Konstanz.

Führen kann nur, wer die Anerkennung und die Akzeptanz derer hat, die er führen möchte. Diese muss man sich erarbeiten, indem man zeigt, dass man fähigist, indem man ein gemeinsames Ziel definiertund den Weg dorthin nachvollziehbar aufzeigt. Dazu ist es oft notwendig, bekannte Pfade zu verlassen, kritische Themen anzusprechen und unliebsame Entscheidungen zu treffen.

Wenn ich möchte, dass mir jemand folgt, muss ich sein Vertrauen gewinnen. Das ist schwierig. Ich muss im ständigen Austausch sein, um zu wissen, was die Bedürfnisse und Probleme sind, und um zu vermitteln, wohin welche Methoden warum führen.

RHI: Was unterscheidet Führung im Sport von Führung in anderen Bereichen?

Lahm: Ich denke, die Leistungsgerechtigkeit ist im Sport höher als in anderen Bereichen der Gesellschaft. Die Bewertungskriterien und die Strukturen sind klarer. Als Profifußballer steht man eigentlich durchgehend unter Beobachtung, man wird immer direkt mit den Konkurrenten verglichen. Dadurch ist die Bewertung der Leistungen viel besser möglich und sicherlich auch gerechter als außerhalb des Sports.

Und es gibt auch klar definierte Regeln, die oftmals wenig Spielraum zulassen. Die Besten setzen sich durch und werden Führungsspieler. Der Weg dahin ist für alle nachvollziehbar und der Führende kann sich im Großteil der Fälle in die Probleme seiner Teamkollegen hineindenken, weil sein Werdegang ähnlich war.

In unserer Gesellschaft wird dagegen nicht zwingend derjenige belohnt, der konstant sehr gute Leistung bringt – vielleicht weil ein anderer durch eine einzelne gute Aktion in der Lage ist, sich mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Auch genießen verschiedene Berufsgruppen unterschiedlich hohes Ansehen, was nicht zwangsläufig an die erbrachte Leistung geknüpft ist.

Nicht immer ist der objektiv Beste an der Spitze und in den seltensten Fällen hat die Führungsperson ein Team aus Mitarbeitern unter sich, deren einzelne Tätigkeiten sie alle selbst einmal ausgeführt hat. Die Führung eines Unternehmens oder einer Organisation ist deshalb in meinen Augen noch einmal wesentlich komplexer.

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