200909 fono forum interview

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Beide sind jung, und beide sind äußerst erfolgreich: der Cellist Daniel Müller-Schott sowie Bayern-Profi und Nationalmannschaftsspieler Philipp Lahm. Doch was heißt es, von Kinderbeinen an im Rampenlicht zu stehen? Mit Bjørn Woll sprachen die Gipfelstürmer über die Licht- und Schattenseiten des Ruhms.

Der Sommer 2006 war das, was dieser Sommer bisher so überhaupt nicht ist: ein richtiger Sommer eben. Wochenlang schien die Sonne von einem nicht enden wollenden blauen Himmel, als „die Welt zuGast bei Freunden“ war. Gekrönt wurde das Ganze noch von einem „Sommer -märchen“, als die Menschen das fast schon verloren geglaubte Vertrauen in„ihre“ Fußballnationalmannschaft wiedergewannen und das Land in einem kollektiven schwarz-rot-goldenen Taumel versank. Eben in diesem Sommer lernten sich auch zwei junge Menschen kennen, die auf den ersten Blick so gar nichts gemeinsam haben: der Nationalmannschaftsspieler Philipp Lahm, der mit seinem Tor gegen Costa Rica in der 6. Minute des Eröffnungsspiels den Startschuss für die folgende Erfolgsgeschichte gab, und der Cellist Daniel Müller-Schott.

Als die „Süddeutsche“ damals kleine Porträts über die Spieler des deutschen Teams, geschrieben von Prominenten, veröffentlichte, fiel dem Hob by fußballer und Münchner Daniel Müller-Schottder ebenfalls in München lebende Philipp Lahm zu. Als wenig später der 3sat Film„Das Cello umarmen“ produziert werden sollte, revanchierte sich Philipp Lahm mit einem Gast auftritt, aber nur„weil der Artikel über mich so gut geschrieben war“. Seit dem sind die beiden Freunde geworden, verbunden durch die gemeinsame Leidenschaft Fußball. Und obwohl sie in so unterschiedlichen Welten zu Hause sind, weisen ihre Lebenswege zahlreiche Parallelen auf.

Sie beide sind in ganz unterschiedlichen Bereichen sehr erfolgreich und haben dafür schon früh die Weichen gestellt. War es Ihnen damals schon klar, dass Sie Fußballer beziehungsweise Musiker werden wollten?

PL: Bei mir gab es diesen Wunsch von klein auf, obwohl am Anfang sicher viel kindliche Naivität mit im Spiel war. Zu diesem Zeitpunkt stand außerdem die Freude am Sport im Vordergrund und nicht so sehr die Berufswahl. Der Spaß am Spiel war es auch, der dafür gesorgt hat, dabeizubleiben, auch wenn das schon mal hieß, zum Training zu gehen, während die Freunde im Sommer ins Freibad gingen.

DMS: Ich bin in dieser Hinsicht auch familiär vorbelastet. Meine Mutter ist Musikerin und hat mich schon früh in Orchesterproben mitgenommen. Mein Initialerlebnis war damals eine Probe im Münchner Herkulessaal, Yo-Yo Ma war der Solist. Er spielte das Schumann-Cellokonzert. Das hat mich so nachhaltig beeindruckt, dass ich selbst Cello lernen wollte.

Was genau hat Sie so am Cello fasziniert?

DMS: In erster Linie war es der Klang des Instruments. Dieser warme, sonore Ton und unverwechselbare Charakter haben mich bis heute nicht losgelassen...

Philipp, Sie haben eben schon angesprochen, dass der Weg zum Profi-Sportler kein leichter ist und man in jungen Jahren schon auf einiges verzichten muss. Was hat Ihnen geholfen, trotzdem durchzuhalten?

PL: Dafür sind vor allem Erfolgserlebnisse enorm wichtig. Wenn man sich die ganze Woche im Training geplagt und das Spiel am Wochenende dann gewonnen hat, hat man sich schon wieder auf das Training der nächsten Woche gefreut, obwohl es anstrengend war und man auch mal auf andere Dinge dafür verzichten musste.

DMS: Das ist bei uns Musikern nicht anders. Besonders am Anfang, wenn man noch lernen muss, dem Instrument überhaupt einen einigermaßen schönen Ton zu entlocken, unterstützen Vorspiele oder kleinere Wettbewerbe die Motivation. So bleibt man einfach gerne dabei.

Neben Talent braucht man also auch Durchhaltevermögen. Was ist wichtiger?

PL: In Prozent lässt sich das schlecht sagen. Am Anfang steht sicher das Talent im Vordergrund, denn das sorgt für die nötigen Erfolgserlebnisse. Dann erst schließt sich die Weiterentwicklung an, bei der Durchhaltevermögen und Disziplin gefragt sind. Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich sagen etwa 50 zu 50.

Daniel, neben Talent und Durchhaltevermögen hat bei Ihnen noch ein weiterer Aspekt eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Karriere gespielt, nämlich die Entdeckung und Förderung durch Anne-Sophie Mutter.

DMS: Ja, in der Tat. Die Unterstützung durch Anne-Sophie Mutter war für mich eine enorm wichtige Hilfestellung auf meinem künstlerischen Weg. Ich hatte das Glück, ihr schon mit 15 Jahren vorzuspielen und danach von ihr und ihrer Stiftung langfristig gefördert zu werden. Dafür werde ich immer dankbar sein, denn bei meiner Entwicklung als junger Musiker spielte gerade diese Nachhaltigkeit eine große Rolle. Das gab mir von Anfang an eine große Sicherheit im Musizieren.

Sie wurden von ihr nicht nur gefördert, sondern haben gemeinsam mit ihr auch Konzerte gegeben und CDs aufgenommen. Wie ist das, wenn man als noch junger Musiker neben einem Weltstar auf dem Podium steht?

DMS: Das ist natürlich eine große Herausforderung, denn das Ganze ist ja eine einmalige Chance: Aber Anne-Sophie Mutter hat mir durch ihre ermutigende und herzliche Art auch den ersten Auftritt in der Carnegie Hall vor ausverkauftem Haus etwas leichter gemacht. In Verbindung mit meinen eigenen solistischen Erfahrungen hatte ich das Vertrauen, dass es schon gut funktionieren wird.

Wie war das bei Ihnen, Philipp, sind solche Entdecker und Förderer für einen jungen Fußballer genauso wichtig?

PL: Unbedingt, auch hier braucht man Leute, die ein Talent erkennen und es fördern. Ich wurde ja auch bei einem kleinen Verein entdeckt, bevor ich mich im För der programm beim FC Bayern München dann voll auf den Sport konzentrieren konnte – neben der Schulausbildung. Das war damals vor allem meinen Eltern sehr wichtig.

Wenn Sie als Fußballer auf den Platz gehen, dann tun Sie das als Team, sind für Sieg oder Niederlage also nie alleine verantwortlich. Ist das ein Punkt, auf den man als Solist ein wenig neidischist, Daniel? Denn auf dem Konzertpodium müssen Sie als „Einzelkämpfer“ohne den Rückkalt einer Mannschaft auskommen.

DMS: Zum Glück haben wir da ja mehrere Möglichkeiten. Wenn ich als Solist auftrete, nimmt man natürlich eine exponierte Stelle vor dem Orchester ein. Aber wenn ich Kammermusik spiele,wie etwa die Klaviertrios von Mozart, bin auch ich Teil eines Teams. Beides finde ich sehr reizvoll.

Wie sieht das bei Ihnen aus, Philipp? Eine Mannschaft bietet nicht nur Gemeinschaft, sondern auch Konflikt potential. Wären Sie manchmal lieber „Solist“?

PL: Grundsätzlich bin ich glücklich, ein Teamplayer zu sein. Wenn ich in meiner Freizeit oder im Urlaub Sport mache, spiele ich allerdings auch sehr gerne Tennis. Das ist mein Ausgleich zum Mannschaftssport.

Egal ob im Team oder alleine, was Sie sicher beide kennen, ist die Aufregung vor einem Spiel oder einem Konzert. Wie wichtig ist diese?

DMS: Ein bisschen Aufregung muss dasein, sonst spielt man im Konzert ja wie zu Hause im Wohnzimmer. Für den Auftritt auf der Bühne braucht man also diese besondere Spannung. Komischerweise kann man im Konzert gut spielen, wenn man sehr angespannt ist, aber auch wenn man sehr ruhig ist.

PL: Das ist aber eine besondere Begabung von dir, denn das kann nicht jeder. Ich kenne zum Beispiel Fußballer, die sich schon eineinhalb Stunden vor dem Spiel gedanklich intensiv darauf vorbereiten. Wenn sie dabei gestört werden, sind die total von der Rolle.

Apropos, wie verbringen Sie die Zeit unmittelbar vor einem Spiel? Schwört man sich als Mannschaft ein, oder bereitet sich jeder für sich vor?

PL: Man ist natürlich schon zusammen im Mannschaftsraum; innerhalb des Teams bereitet sich aber jeder individuell auf das Spiel vor, viele hören Musik, und manche fangen, wie schon gesagt, sehr früh damit an. So viel Zeit brauche ich zum Glück nicht, aber die letzten Minuten vor dem Anpfiff habe ich schon gerne meine Ruhe.

Wenn Sie sich die Tätig keit des anderen angucken, was kann der Cellist Daniel Müller-Schott vom Fußballer Philipp Lahm lernen?

DMS: Vor allem die Körperbeherrschung, die absolute Kontrolle und Präzision jeder Bewegung, die man als Hochleistungssportler haben muss. Denn diese ist auch für den Musiker wichtig. Die Kontrolle des Körpers müssen wir dann auf das Instrument übertragen, sie ist die Basis für unser Spiel.

Was kann sich der Fußballer vom Cellisten abgucken?

PL: Am meisten bewundere ich die Fähigkeit, sich auf viele verschiedene Dinge gleichzeitig zu konzentrieren, die Körperhaltung, das Spielen des Instrumentes, die Noten, den Ausdruck. Und trotzdem sieht es auf der Bühne aus, als wäre es das Leichteste der Welt. Das ist etwas, was mich sehr beeindruckt.

Für das 3sat-Porträt „Das Cello umarmen“haben Sie für kurze Zeit die Rollen getauscht. Während der Hobbyfußballer Daniel Müller-Schott auf dem Rasen steht, haben Sie sich im Cellospiel versucht. Was sagen Sie, Philipp: Hat er Talent zum Fußballer?

PL: Wenn ich ihm einen Rat geben sollte, würde ich sagen: Er soll beim Cello bleiben (beide lachen). Dafür bin ich aber auch völlig unmusikalisch.

DMS: Das finde ich aber gar nicht. Ganz davon abgesehen, dass niemand absolut unmusikalisch ist, hat Philipp sich bei seiner ersten Begegnung mit dem Cello wirklich geschickt angestellt. Gerade bei den Streichinstrumenten ist die Tonerzeugung nicht einfach, aber er hatte wirklich schnell ein Gespür dafür.

Wie ist das überhaupt mit den Fans? Freut man sich, wenn man angesprochen wird, oder ist das eher nervig?

DMS: Man wird schon gelegentlich erkannt– bei mir kommt noch dazu, das sich immer meinen weißen Cellokasten auf den Flughäfen herumtrage – der ist ja kaum zu übersehen! Ich freue mich immer, wenn mich Leute direkt ansprechen, die vielleicht schon im Konzert waren. Generell ist es aber so, dass das Klassikpublikum eher zurückhaltend ist, zumindest hier in Deutschland. Ich war allerdings gerade in Asien auf Tour, und dort ist es ganz anders. Die Menschen sind zwar betont freundlich, aber nach dem Konzert stand der ganze Saal an und wollte ein Autogramm.

Wie sieht das bei Ihnen aus, Philipp? Als Spieler der deutschen Nationalmannschaft ist Ihre Popularität sicher noch höher. Hat man überhaupt noch ein Privatleben?

PL: Natürlich freut man sich, denn Fans sind die Grundlage für das, was wir tun. Vor allem Kinder sind da oft sehr ehrlich. Da freut es mich dann besonders, wenn die mich um ein Autogramm bitten. Es gibt aber auch Situationen, da wünscht man sich etwas mehr Ruhe, zum Beispiel beim Essen. Danach gebe ich gerne Autogramme, aber ich mag es nicht, wenn ich beim Essen gestört werde. Ich bin jedenfalls so erzogen worden, dass man niemanden beim Essen stört.

Sie kennen also beide die Licht- und Schatten seiten des Ruhmes. Was Sie aber auch noch verbindet, ist die Tatsache, dass Sie sich beide in verschiedenen Projekten um Nachwuchsförderung und Bildung bemühen. Sie, Daniel, gehen zum Beispiel im Rahmen des Projektes„Rhapsody in School“ in Schulen, um Kindern den Kontakt zur Musik zu ermöglichen. Warum ist Ihnen das eine solche Herzensangelegenheit?

DMS: Vielleicht weil ich damals die Chance hatte, Künstler zu hören, die meinen Lebensweg entscheidend beeinflusst haben. Das möchte ich auch anderen ermöglichen. Außerdem werden die Konzertgänger nicht unbedingt jünger. Daher ist es mir wichtig, einen Weg zu finden, wie wir ein junges Publikum für klassische Musik begeistern können. Das geht meiner Meinung nach nur über einen direkten Kontakt, wenn die Schüler die Möglichkeit haben, mit dem Musiker zu sprechen und das Instrument anzufassen. Zudem fördert Musik ja auch Fähigkeiten auf anderen Gebieten, das kommt also allen Bereichen des Lebens zugute. Da möchte ich noch viel tun.

Philipp, gab es bei Ihnen ein ähnliches Schlüsselerlebnis, das dann zur Gründung der Philipp-Lahm-Stiftung geführt hat?

PL: Im Vorfeld der Fußball-Weltmeister schaft 2010 in Südafrika habe ich mir im Sommer 2007 schon mal ein Bild vor Ort gemacht. Bei den Besuchen in den Townships habe ich viel Elend gesehen, aber auch, dass die Kinder unheimlich viel Talent und Potential für Fußball hatten. Mit der Stiftung möchte ich sie in Sachen Sport und Bildung unterstützen– übrigens nicht nur in Afrika, sondern auch hier in Deutschland.

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