20150402 merkur interview: Pep verdient die Champi

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Philipp Lahm im großen Interview mit dem Münchner Merkur. © sampics / Stefan Matzke

Aktualisiert: 02.04.15 12:02

HIER SPRICHT DER FCB-KAPITÄN

Lahm im Interview: "Pep verdient die Champions League"

München – Philipp Lahm ist zurück. Vor dem Spiel am Samstag in Dortmund hat der Kapitän des FC Bayern seine Verletzung auskuriert. In Teil 1 des großen Merkur-Interviews spricht er über vier Monate im Krankenstand.

Herr Lahm, Länderspielpause ist für Sie nun Familienzeit. Wie waren Ihre letzten zwei Wochen?

Ganz entspannt am Tegernsee. Viel Zeit zuhause, einmal am Tag Training – ich hatte viel Raum für die Familie, für unseren Sohn. Das macht Spaß.

Wie wird es an Ostern: Hilft Papa Lahm dem Hasen eifrig, Eier zu verstecken?

Am Ostersonntag hängt es vom Training ab. Die Vorbereitung für den Osterhasen muss wohl eher meine Frau übernehmen. Allzu lang können wir unseren Sohn da ja nicht warten lassen.

Sie haben angekündigt, Länderspiele ab sofort im DFB-Trikot vor dem Fernseher zu verfolgen. War das jetzt tatsächlich der Fall?

(lacht) Nein, das DFB-Trikot kommt nur bei großen Turnieren aus dem Schrank.

Wie schauen Sie denn jetzt Länderspiele – schimpfend oder analysierend?

Ganz ruhig. Ich bin tiefenentspannt. Ich lasse mich von dem Spiel leiten. Gegen Georgien fand ich die erste Hälfte sehr gut, die zweite hat nachgelassen. So ist das halt, das weiß ich aus Erfahrung, darum bin ich wohl der entspannteste Zuschauer überhaupt (grinst).

Auch bei den Bayern-Spielen, als Sie zuletzt verletzt zuschauen mussten?

Nein, das ist schon anders, da analysiere ich mehr. Es kommen da auch Fragen vom Trainer, wir tauschen uns regelmäßig aus, selbst wenn ich verletzt bin. Pep Guardiola fragt, wie ich einige Szenen gesehen habe, vor dem Fernseher oder auf der Tribüne: Was kann man noch besser machen? Wie hat das Team agiert? Es war ein Genuss, den Jungs zuzuschauen. Eine schöne Phase für mich, obwohl ich verletzt war.

Es heißt, im zweiten Jahr eines Trainers greifen die Mechanismen noch besser. Es wirkt aber eher, als habe die Entwicklung seit dem Winter stagniert.

Ich sehe absolut, dass es sich in die richtige Richtung entwickelt. Stagnation stimmt auf keinen Fall. Wenn man in der Hinrunde sieht, wie variabel wir geworden sind in verschiedenen Situationen oder Systemen, war es nochmal ein großer Schritt. Es braucht alles Zeit. Mit Dreierkette haben wir früher ja nie gespielt. Und man muss auch sehen: Wir hatten in der Hinrunde viele Ausfälle, wir haben jetzt schon wieder viele Ausfälle. Das ist nicht gut.

Sie haben mal gesagt, für Guardiolas Fußball müssen alle bei 100 Prozent sein. Sind das jetzt wirklich alle?

Wenn man mich ansieht: Nein. Ich bin nicht bei 100 Prozent. Spielfit ist man erst, wenn man ein paar Spiele über 90 Minuten gemacht hat. Den Rhythmus kann man im Training nicht simulieren. Für 100 Prozent fehlen mir die Spiele.

Sind Sie denn dann gerade ein Sicherheitsrisiko?

(lacht) So würde ich mich jetzt nicht bezeichnen. Um mich braucht man sich keine Sorgen zu machen – ich mache mir ja auch keine. Das kommt alles wieder. Ich habe vier Wochen am Stück trainiert, ohne irgendwelche Probleme. Jetzt gegen Dortmund könnte ich 90 Minuten spielen. Für mich war die Länderspielpause super.

Im letzten Jahr haben Sie nach dem Champions League-Sieg von Real Madrid gesagt, dass Real mehr Energie hatte. Das habe dem FC Bayern 2014 gefehlt. Wie ist das heuer?

Ich glaube, die Energie ist absolut da. Ich habe von außen gesehen, dass die Mannschaft immer will. Das ist das Wichtigste und nicht selbstverständlich, wenn man in der Liga weit führt. Das meistert die Mannschaft durch ihre Energie.

Besser als letztes Jahr?

Ja. 2013 hatten wir die Energie durch das verlorene Finale dahoam. Hunger hat man immer, aber die Energie, alles immer zu 100 Prozent und mit so viel Power zu machen, hat uns im letzten Jahr in einer entscheidenden Phase gefehlt. Da hatte Real, was wir im Jahr davor hatten. Das war das Entscheidende. Wir haben aber jetzt fußballerisch wieder einen Schritt nach vorne gemacht, und an Energie, das kann ich versichern, fehlt es uns nicht.

Nach dem 0:4 gegen Real wurde auch viel über die Philosophie von Guardiola gesprochen. Hat der FC Bayern eigentlich genug Spieler, die Pep-Guardiola-Fußball spielen können?

Wir haben genügend Spieler, die zu ihm passen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir seinen Stil auch zeigen können.

Muss Bayern heuer die Champions League holen?

Müssen nicht, weil es auch noch andere gibt. Aber ich will in meiner Karriere – die geht bis 2018 – noch einmal die Champions League gewinnen. Und dann lieber umso früher.

Anders gefragt: Muss Guardiola den Titel holen?

Verdient hätte er es auf jeden Fall. Wir sind aber alle lang genug im Geschäft, da weiß man, wie eng das ist. Da geht es manchmal um einen entscheidenden Tag. Der Trainer steht noch ein Jahr unter Vertrag, es gäbe noch eine Möglichkeit.

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Philipp Lahm plant für die Zeit nach der aktiven Karriere.

© sampics / Stefan Matzke

INTERVIEW MIT DEM FCB-KAPITÄN - TEIL 2

Karriereende? Bayern "erste Adresse" für Lahm

München - Bis 2018 will Philipp Lahm noch beim FC Bayern Fußball spielen. Und dann? Im zweiten Teil des Interviews verrät er, wo die Reise hingehen könnte - und warum Bayern Top-Transfers braucht.


Wenn Karl-Heinz Rummenigge Sie fragen würde, ob er Guardiolas Vertrag verlängern soll – was würde der Kapitän ihm raten?

Ich glaube nicht, dass Herr Rummenigge da auf mich zukommt, er weiß ja selber, wie gut der Trainer ist. Aber wenn, würde ich sagen: Verlängern! Klar! Verlängern! Im Moment ist nicht die Entscheidung, was der Klub oder die Spieler wollen, sondern, was er will. So ein Trainerjob ist sehr, sehr intensiv, beim FC Bayern sicher noch intensiver als woanders. Das kostet sehr, sehr viel Energie, vor allem wenn man so akribisch arbeitet wie unser Trainer. Man muss ihm die Zeit geben, sich darüber Gedanken zu machen. In den nächsten Wochen muss er sich da ja noch nicht entscheiden.

Haben Sie Angst, dass er bei Bayern ausbrennt?

Nein. Aber ich weiß, was so ein Trainer leistet. Unglaublich: Er ist von früh bis abends, ach was, von früh bis früh mit Fußball beschäftigt. Guardiola ist super – mein Wunsch wäre, mit ihm meine Karriere hier beim FC Bayern 2018 zu beenden.

Sie haben den Trainerjob für sich ausgeschlossen. Ist der fußballverrückte Pep so abschreckend für Sie?

(lacht) Nein. Auch Jupp Heynckes und andere haben mit viel Arbeit beeindruckt. Das wäre mir viel zu anstrengend.

Und 2018 soll Schluss sein mit aktivem Fußball?

Im Grunde ja. Ich sage zwar immer: Sag niemals nie. Aber wer mich kennt, weiß, dass ich keine Entscheidungen treffe, um danach zu sagen, das war falsch. Das war beim Rücktritt beim DFB so, das ist jetzt so. Ich habe verlängert bis 2018, dann bin ich 34, da ist normalerweise Schluss. Aber wenn es mich überkommt, dann nagelt mich jetzt nicht fest! Eigentlich steht mein Plan. Ich bin einer, der sich gerne auf Dinge vorbereitet. Ich kann noch drei Jahre auf Topniveau spielen, quetsche aber nicht alles bis zum Ende aus. Ich will mit einem schönen Gefühl abtreten.

Rummenigge erwähnt Sie immer wieder, wenn es um mögliche Jobs im Vorstand geht. Manuel Neuer sagt, er habe schon mit 18 angefangen, an Übermorgen zu denken. Sie auch?

In erster Linie bin ich Fußball-Profi. Trotzdem habe ich mich etwa als Gesellschafter bei Sixtus beteiligt, weil ich vorausschaue. Ehrlich gesagt kann ich mir nicht so ganz vorstellen, dass Manu schon mit 18 so gedacht hat (lacht). Es ist schön, dass viele wichtige Leute im Klub sagen, dass ich hier arbeiten kann. Der Verein hat mir sehr viel gegeben, deshalb kann ich mir definitiv vorstellen, auch nach der aktiven Karriere hier zu arbeiten. Beide Seiten sind sehr interessiert.

Wie Uli Hoeneß: Die kurze Hose aus – und gleich in die Anzughose rein?

Uli Hoeneß hatte leider nicht das Glück, dass er so lange Fußballspielen konnte wie ich. Er ist ja schon mit 27 Manager geworden, sehr früh und sehr erfolgreich. Mit ihm kann man sich einfach nicht vergleichen.

Oliver Bierhoff will Miroslav Klose beim DFB einbinden. Wäre der Verband für Sie auch eine Option?

Der FC Bayern ist meine erste Adresse. Das ist meine Heimat seit 1995. Aber es ist noch lange hin. Ich weiß noch nicht, was ich machen will, machen kann. Noch reden wir ja sehr vage. Aber Oliver Bierhoff hat jetzt auch noch nicht bei mir angerufen und gefragt (lacht).

Wäre auch ein Studium eine Option?

Klar. Aber man muss klar sagen, dass ich hier beim FC Bayern schon viel mitbekomme.

Beschäftigen Sie sich nun schon als Spieler mit Wirtschaftsfragen wie etwa dem TV-Vertrag der Engländer? Machen Sie sich Sorgen um die Chancengleichheit?

Die Bundesliga glänzt mit Anderem: Zuschauer, moderne, ausverkaufte Stadien. Wirtschaftlich sind alle sehr gesichert, in einer guten Balance. Wir können zufrieden sein, aber den TV-Nachteil werden wir sehr, sehr lange haben. Die Bundesliga war immer kreativ, vermarktet sich jetzt noch besser in Asien – dieser Markt ist noch nicht bis zum Ende erschlossen. Da geht noch mehr.

Wie können Sie gegen Ende Ihrer Karriere Bayerns anstehenden Generationenwechsel mitgestalten?

Der Umbruch muss kommen, das steht außer Frage. Aber wir haben schon jetzt eine Zwischenschicht: Es gibt nicht nur die Alten und die Jungen, es gibt auch Manuel Neuer, Thomas Müller, David Alaba, Holger Badstuber. Ich mache mir keine großen Sorgen, aber es muss natürlich mal adäquater Ersatz für den einen oder anderen kommen. Entweder aus unserer Jugend, oder man holt jemanden dazu. Eigener Nachwuchs muss den Verein immer mitprägen. Das ist hier seit jeher so. Wir brauchen immer Identifikationsfiguren. Irgendwann bricht meine Generation weg, dann übernimmt die, die mit uns gewachsen ist. Und dann muss was nachkommen. Das wird sicher nicht einfach.

Vorstand Jan-Christian Dreesen sagt, es wäre auch mal möglich, 100 Millionen Euro für einen Neuzugang aufzubringen. Ist das für Sie dar- und vorstellbar?

Herr Dreesen wird das schon wissen und richtig einschätzen. Richtig ist, dass es nicht nur mit Talenten gehen kann. Man muss auch Top-Stars holen. In den letzten Jahren hat der Mix hier sehr, sehr gut gepasst. Es gab uns, die aus der eigenen Jugend kamen, und eben die, die dazukamen. Man muss auch sehen, dass die Externen nicht einfach so für ein, zwei Jahre geholt wurden, sondern fast alle fünf, sechs, sieben Jahre hier sind. Franck Ribery ist zum Beispiel jetzt seit acht Jahren hier. Sie alle identifizieren sich auch mit dem FC Bayern.

Also ein 100-Millionen-Einkauf müsste dann schon ein paar Jahre bleiben?

Ja klar – oder man verkauft ihn nach einem Jahr für 150 Millionen wieder (lacht).

Werden Sie so einen noch als Kollegen erleben?

Mal sehen. Herr Dreesen hat die Möglichkeit ja nur theoretisch genannt. Aber wenn, wird es sich nicht anders anfühlen, als wenn einer für 30 Millionen geholt wird. Basti Schweinsteiger kam aus der eigenen Jugend und hat trotzdem einen hohen Stellenwert, weil er ein genialer Fußballer ist. Das Wichtigste ist, was man auf dem Platz leistet, und wie man nebendran ist. Da kann einer 100 Millionen kosten – wenn er keine Leistung bringt, ist er nicht so anerkannt wie andere.

Neuer, Müller und Alaba stehen für die Generation nach Ihnen. Wäre einer auch ein würdiger Kapitän?

Also erstmal: Ich will schon noch drei Jahre Fußball spielen – wollt ihr mich schon absägen (lacht)? Wir haben alle noch längere Verträge. Aber natürlich kommen die Genannten infrage. David stammt aus der eigenen Jugend, hat schon viel Erfahrung gesammelt. Thomas sowieso. Manu ist ebenfalls ein Kandidat, auch Holger kann in so eine Rolle wachsen, nun, wo er seine Verletzungen überstanden hat. Das passt einfach. Sie alle kennen den Verein, können die Werte weitertransportieren. Ob das nun in den nächsten zwei Jahren passiert, wo wir alten Säcke noch da sind, oder danach – mal sehen!

Wenn Sie sich selbst schon „alter Sack“ nennen: Können Sie mit der Generation Facebook und Twitter eigentlich etwas anfangen?

Ich bin bei Facebook, aber keiner, der überall alles postet, wenn er unterwegs ist. Ich will, dass mein Privatleben respektiert wird. Wobei ich jetzt niemanden wegschicke, wenn er mich fragt, ob er ein „Selfie“ machen darf. Zu meiner Zeit hieß es noch Foto – da merkt man, dass man alt wird (lacht).

Interview: Hanna Schmalenbach und Andreas Werner


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