20140806 tz interview: Das macht mir mehr Spaß als

Das große tz-Interview

Lahm verrät: Das macht mir mehr Spaß als Fußball

Aktualisiert: 06.08.14 13:45

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Philipp Lahm im Schullandheim Schloß Maxhofen.

© Heydenreich

München - WM-Held und FCB-Kapitän Philipp Lahm spricht im großen tz-Interview über seine Stiftung, seine Familie und die Rolle als Papa und natürlich über die WM 2014.

Es ist Montagmorgen, kurz nach halb 10, als Philipp Lahm gut gelaunt im Sommercamp seiner Stiftung auftaucht. Drei Wochen sind seit dem WM-Triumph vergangen. Drei Wochen, in denen seine Frau Claudia und sein Sohn Julian ihren Ehemann und Vater nicht mit der ganzen Welt teilen mussten. Am Mittwoch beginnt für den Kapitän des FC Bayern wieder der Alltag, um 10 Uhr geht es mit den anderen WM-Helden auf in die USA zu Pep & Co. Vorher nahm sich der 30-Jährige aber die Zeit und besuchte die 80 Teilnehmer des Sommercamps im Schloss Maxhofen bei Bruckmühl. Mit der tz sprach Lahm dabei über seine Liebe zu Kindern, die Rollenverteilung als Profi und Vater und über unvergessliche WM-Momente.

Philipp, haben drei Wochen Urlaub gereicht, um Ihren Akku wieder aufzuladen?

Lahm (lacht): Die müssen reichen, es hilft ja nix. Diese Situation ist für mich nicht neu. Ich konnte die Zeit sehr gut mit meiner Familie nutzen und vom Fußball abschalten. Jetzt geht es wieder von vorne los und ich freue mich auf die neue Saison.

Hat Ihr Sohn Julian Sie denn auf Trab gehalten?

Lahm: Definitiv. Er ist inzwischen fast zwei Jahre, ein Alter, in dem er alles erleben und mitmachen will. Es war sehr schön, nach sechs Wochen Brasilien wieder nach Hause zu kommen und Julian und meine Frau wiederzusehen.

Ist so ein Besuch im Sommercamp auch noch Urlaub für Sie oder schon wieder Rückkehr in den Alltag?

Lahm: Da bin ich noch voll im Urlaub. Es ist für mich ein großer Spaß, die Kinder hier im Sommercamp zu besuchen.

Die Philipp-Lahm-Stiftung gibt es seit gut sieben Jahren. Worum geht es dabei, was ist Ihnen wichtig?

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Philipp Lahm zu Besuch bei den Kids seines Stiftungsprojekts.

© Heydenreich

Lahm: Die Stiftung kümmert sich um Kinder und Jugendliche. Wir haben aktuell zwei Projekte in Südafrika, und die Sommercamps in Deutschland. In allen Projekten geht es um die Bereiche Bildung und Sport. Ich hatte viel Glück in meinem Leben und wurde immer gefördert. Ich weiß, dass das bei anderen Kindern nicht immer der Fall ist. Deswegen möchte ich von meinem Glück etwas weitergeben und den Kindern etwas ermöglichen.

Lahm: "Die Fragen von Kindern sind immer die ehrlichsten" 

Weil man sie am meisten fördern kann?

Lahm: Kinder sind für mich das Wichtigste, sie haben das ganze Leben noch vor sich. Ich finde es wichtig, dass man Kindern die Möglichkeit gibt sich auszuprobieren, damit sie ihre Stärken entdecken und ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Das Sommercamp ist bewusst kein Fußballcamp, denn es spielt ja nicht jeder gerne Fußball. Es soll ein Camp für alle sein. Hier geht es um Bewegung, Ernährung und Persönlichkeitsentwicklung. Diese Themen erscheinen mir für Kinder wichtig, weil sie auch in meinem Leben eine zentrale Rolle gespielt haben beziehungsweise spielen.

Haben Sie diese Themen in Ihrer Karriere geprägt?

Lahm: Ja, definitiv. Für mich war es immer sehr wichtig, mich persönlich weiterzuentwickeln. Und durch meinen Beruf waren Bewegung und Ernährung zwangsläufig Bereiche, mit denen ich mich intensiv beschäftigt habe. Im Camp versuchen wir in den Workshops den Kindern Aufgaben zu stellen und ihnen spielerisch bestimmte Impulse mit zu geben. Eine Aufgabe ist es, seinen besten Freund zu „bauen“. Das ist meine Lieblingsaufgabe, weil die Kinder sich Gedanken machen müssen, wie ihr bester Freund zu ihnen sein soll und ob sie selbst diese Eigenschaften mitbringen und so auch zu ihm sind. Diese Auseinandersetzung finde ich sehr wichtig.

Wie wichtig ist Ihnen ein persönlicher Besuch hier?

Lahm: Für mich ist es schön, zu sehen wie die Kinder lachen und sich freuen, wenn ich vorbei komme. Ich versuche bei jedem Camp vorbeizuschauen und den Kindern noch ein bisschen mehr Freude zu bereiten, wenn ich auf einmal vor ihnen stehe. Mir macht das Spaß und ich schaue gerne vorbei.

Haben Sie da mittlerweile schon Routine oder ist es immer wieder aufregend?

Lahm: Es ist jedes Mal aufs Neue interessant, denn die Fragen von Kindern sind immer die ehrlichsten. Da habe ich immer sehr, sehr viel Spaß. Inzwischen kenne ich mich hier natürlich aus, aber trotzdem bleibt es etwas Besonderes. Das Sommercamp ist schließlich unser größtes Projekt.

Philipp Lahm: "Ein eigenes Kind verändert alles" 

Interessieren sich die Kinder für den Menschen oder für den Fußballer Philipp Lahm?

Lahm: Für beide. Es tauchen die verschiedensten Fragen auf, darunter natürlich viele Fußball-Fragen. Diesmal hat mich aber zum Beispiel auch ein Kind gefragt, ob ich oft Schokoriegel esse. Da habe ich gesagt: Klar esse ich ab und zu auch mal Süßigkeiten, das gehört auch dazu. Aber eben nicht fünf Stück am Tag. Oder ich erinnere mich immer noch an eine Frage aus dem vergangenen Jahr. Da fragte mich ein Kind, warum ich denn Werbung für Nutella mache. Das sei doch ungesund. Da habe ich ihm gesagt: Das habe ich nie gemacht. Das waren meine Kollegen aus der Nationalmannschaft. Aber die Situation fand ich toll. Da hat ein Kind sich an die Werbung erinnert und gemerkt, dass ich ihnen jetzt etwas anderes erzähle. Das passt nicht zusammen. Zum Glück konnte ich es in dem Fall revidieren (lacht).

Seit knapp zwei Jahren sind Sie auch Vater. Hat sich seitdem Ihre Einstellung zur Stiftung geändert? Spüren Sie noch mehr Verantwortung?

Lahm: Ja. Wenn man ein eigenes Kind hat, hat man noch viel, viel mehr Verantwortung. Mir war das Sommercamp vorher auch schon sehr wichtig. Aber klar: Wenn man selbst Vater ist, achtet man auf bestimmte Sachen vielleicht doch noch ein bisschen genauer.

Haben Sie sich seitdem auch verändert? Setzen Sie jetzt andere Prioritäten?

Lahm: Ja. Ein eigenes Kind verändert alles. Als Sportler ist es ja meist so, dass man immer ein bisschen länger schlafen kann. Seit zwei Jahren hat sich unsere Nacht verschoben. Meine Frau und ich gehen früher ins Bett, stehen früher wieder auf. Aber es macht unheimlich viel Spaß sich auf diese Veränderungen einzulassen, denn wir kriegen von unserem Kind alles zurück. Das ist sehr, sehr schön.

Rolle als Vater bereitet Lahm mehr Freude als Fußball

Kann man als Fußballer überhaupt Rücksicht auf die Familie nehmen?

Lahm: Nur bedingt, weil der Beruf den Zeitplan bestimmt. Wir haben unsere Trainingseinheiten und Spiele. Teilweise sind wir auch drei Tage unterwegs. Aber die Zeit, die bleibt, versuche ich so gut wie möglich zu nutzen. Zeit ist etwas sehr wertvolles und das Schönste, das man seiner Familie schenken kann. Ich verbringe so viel wie möglich mit ihr. Und wenn mir etwas Spaß macht, ist es wichtig, sich die Zeit dafür auch zu nehmen.

Es gibt den Satz: Fußball ist nicht alles im Leben. Ist die Zeit mit der Familie schöner als mit der Nationalelf?

Lahm (lacht): Das kann man nicht vergleichen. Ich hatte in der Nationalmannschaft eine super Zeit, vor allem in Brasilien. Es hat immer viel Spaß gemacht mit den Jungs. Ich hatte viele tolle Momente mit den „Chaoten“. Aber für mich ist die Familie das Wichtigste. Und wenn da mal irgendwas passiert, dann will man ja auch zuhause sein. Natürlich liebe ich meinen Beruf, das sieht man mir auf dem Platz denke ich ja auch an. Es ist ja nicht so, dass ich mit dem Fußball komplett aufgehört habe. Ich habe immer noch Spaß daran. Aber ich würde lügen, wenn ich sage, dass mir meine Rolle als Familienvater nicht noch mehr Freude bereitet.

Ist der Mensch Philipp Lahm heute ein bisschen mehr Vater als Profi?

Lahm: Ja. Als Vater macht man alles für seine Familie. Und wenn irgendwas passieren würde oder ich Entscheidungen treffen müsste, würde die Familie immer an erster Stelle stehen.

Lahm: "Die volle Bedeutung des WM-Titels habe ich noch nicht wirklich erfasst" 

Als Profi haben Sie jetzt alles erreicht. Hätten Sie sich Ihre Karriere so gemalt?

Lahm: Nein, das geht auch gar nicht. Erstmal muss man Profi werden. Im Kindesalter ist das ein Traum. Wenn man als Jugendlicher merkt, dass es klappen kann, wird es zum Ziel. So geht der Weg immer weiter. Die erste WM, die ich als Kind vor dem Bildschirm miterlebt habe, war 1990. Wir wurden Weltmeister und Lothar Matthäus streckte den Pokal in die Höhe. Da habe ich auch davon geträumt, Weltmeister zu werden. Aber da konnte ich nicht davon ausgehen, Nationalspieler zu werden und eine WM zu spielen. Und dann sogar noch den Titel zu holen.

Sie wussten schon im vergangenen Jahr, dass die WM in Brasilien Ihre letzte sein wird. Hatten Sie sich schon von Ihrem Traum, Weltmeister zu werden, verabschiedet?

Lahm: Ich bin Realist und ich habe auch 2013 nach unserem Champions-League-Triumph gesagt: Es gibt keine Garantien im Fußball. Wir standen vorher zweimal im Finale und haben zweimal verloren. Ich habe immer daran geglaubt, dass wir Weltmeister werden können. Ich habe auch nach der EM 2012 gesagt, dass es unser Ziel sein muss, Weltmeister zu werden. Aber ich wusste auf der anderen Seite auch, dass meine DFB-Karriere ohne WM-Titel enden kann.

Haben Sie den Triumph inzwischen eigentlich schon realisiert?

Lahm: Das ist schwierig zu beantworten. Ich glaube, dass ich mir bewusst bin, was wir geleistet haben. Aber ich denke auch, dass ich das Ausmaß des Erfolges erst wirklich begreifen werde, wenn ich meine Karriere beendet habe. Ich weiß, dass wir Weltmeister sind und es fühlt sich super an. Aber die volle Bedeutung dieses Titels habe ich so kurz danach noch nicht wirklich erfasst.

"Der WM-Titel? Unglaublich!" 

Was war Ihr intensivster WM-Moment?

Lahm: Der Schlusspfiff im Finale war ein großer Moment. 120 Minuten waren um, und man wartet nur noch darauf, dass der Schiedsrichter die Partie beendet und denkt sich: Jetzt pfeif doch endlich ab. Und dann kam noch ein Freistoß von Messi und ich dachte: Wenn wir den überstehen, dann ist endlich Schluss. Aber dann flog der Ball noch mal durch die Luft, bis die Partie endlich zu Ende war und wir wussten: Wir sind Weltmeister. Der erste, den ich dann gesehen habe, war glaube ich Manu. Auch er hatte Tränen in den Augen.

Und was haben Sie gedacht, als Sie 24 Jahre nach Lothar Matthäus den Pokal in die Höhe stemmen durften?

Lahm: Einfach nur: Unglaublich. Ich weiß noch genau, wie ich da oben stand und die Kanzlerin gratuliert hat. Wir sind Weltmeister. Wirklich begreifen kannst du das in dem Moment sicher noch gar nicht, deshalb dachte ich einfach nur: Unglaublich!

Interview: sw


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