20170519/SZ/Abschied vom Kapitän

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Philipp Lahm saß nur selten auf der Ersatzbank des FC Bayern. (Foto: dpa)


Ein Spiel noch, dann geht Philipp Lahm in Rente. Einer der besten Fußballer der Welt. Ein paar Würdigungen, von Rudi Völler über Jupp Heynckes, Fernando Torres bis Bastian Schweinsteiger.

Jorge Valdano

"Es gibt einen deutschen Außenverteidiger, der mich in Träumen verfolgt hat: Hans-Peter Briegel. Der Traum geht so: Ich laufe im WM-Finale von 1986 aufs Tor zu, und Briegel holt mich noch ein. Nur, dass das klar ist: Ich halte Briegel für einen würdigen Vertreter des deutschen Fußballs. Aber er ist das komplette Gegenteil von Philipp Lahm, für den ich immer eine Schwäche hatte. Weil seine Ausstrahlungskraft in seiner symbolischen Dimension lag. Lahm repräsentierte den Wandel des deutschen Fußballs, ehe der Wandel vollzogen war. Deutschlands Fußball veränderte sich in eine Richtung, in der Lahm längst wartete. Er suchte immer die Assoziation mit den Mitspielern, und war dabei imstande, das Spiel seiner Mannschaft als Außenverteidiger zu organisieren. Er spielte den Ball immer mit Verstand. Den Härtetest überwand er für mich, als Pep Guardiola ihn als Sechser aufstellte, im defensiven Mittelfeld, und er den Eindruck erweckte, sein ganzes Leben auf dieser Position gespielt zu haben. Aber auch wenn er außen spielte - die Kreidelinie hat ihm nie Grenzen gesetzt. Ihm gehörte das ganze Feld. Was mich noch beeindruckte, war seine Diskretion: Man sah ihm nie an, wie unermüdlich er war. Man konnte meinen, dass er sogar sein Talent verbarg. Denn nichts von dem, was er tat, war schrill. Er war ein Held ohne Heldengesicht."

Jorge Valdano, 61, Fußballphilosoph, war 1986 Weltmeister mit Argentinien.

Marcel Reif

"Uneitel: Das wäre der Begriff, auf den ich Philipp Lahm bringen würde. Ich habe von ihm keinen einzigen eitlen Ball gesehen. Ein eitler Ball kündigt sich in der Gestik schon an: Jetzt schaut mal, was ich gleich machen werde! Ein eitler Ball wird sozusagen kommentiert und abmoderiert vom Spieler, der gequält lächelt oder abwinkt und also wortlos jammert: Ach, die anderen können ja mit meiner Kunst gar nichts anfangen. Dagegen Lahm: Jeder Ball, den der gespielt hat, diente dazu, die Planungssicherheit im Spiel zu gewährleisten."

Marcel Reif, 67, ist TV-Experte.

Leonie Maier

"Für mich wurde Philipp Lahm zum Vorbild, als er beim VfB Stuttgart gespielt hat. Ich bin ein ähnlicher Spielertyp und oft mit ihm verglichen worden. Eigentlich mag ich das nicht; ich finde, jeder sollte sein eigenes Spiel entwickeln. Aber es hat mich natürlich stolz gemacht. Dieses nach innen ziehen und auch mal selbst ein Tor schießen, habe ich versucht, mir von ihm abzuschauen. Er hat immer einfach gespielt und nicht groß rumgetrickst. Aber diese einfachen Lösungen sind oft die besten gewesen."

Leonie Maier, 24, ist Rechtsverteidigerin beim FC Bayern und in der Nationalelf.

Matthias Brandt

"Soso, der junge Mann hört also aus Gebrechlichkeitsgründen auf, der Körper will nicht mehr, wenn ich das richtig verstanden habe. Herr Lahm ist 1983 geboren. Das Ganze ist ein für mich in mehrerlei Hinsicht deprimierender und auch beleidigender Vorgang. Ich bin traurig, dass er geht. Man konnte ihm auf dem Platz nicht nur beim Spielen zuschauen, sondern zugleich auch beim Denken, und beides war ein Genuss."

Matthias Brandt, 55, ist Schauspieler und Botschafter des SV Werder Bremen.

Silvio Meißner

"Natürlich ist mir gegenwärtig, dass er für mich in Rostock eingewechselt wurde. Sein Ligadebüt für den VfB Stuttgart. Ich hab ihm in der Kabine noch gesagt, dass er ja die Schienbeinschoner, Schuhe und sein Trikot mitnehmen soll und, falls er eingewechselt wird, ganz schnell zur Seitenlinie sprinten. Dass er wirklich für mich kam, war nicht vorgesehen. Eigentlich wollte Felix Magath Aleksandr Hleb einwechseln. Aber Hleb kam so verschlafen daher, das hat Magath nicht gefallen. Also Philipp. Ich weiß noch, wie er zu uns kam. So ein A-Jugend-Spieler vom FC Bayern, dachten wir. Aber im Training hat man gleich gemerkt, dass er sehr erwachsen spielte. Ach ja, und ich erinnere mich noch, dass er damals ziemlich Stress wegen seiner Hasen hatte. Jaja, die Hasen! Seine damalige Freundin wohnte in München, und wenn wir lange weg waren, auf Champions-League-Reisen, wusste er nie, wie er sie füttern sollte. Das haben wohl seine Nachbarn erledigt. Aber er ist dann ja zurück nach München. Ich habe ihm damals ein paar Umzugskartons gegeben, die er mir zurückgeben wollte. Aber auf die warte ich noch heute."

Silvio Meißner, 44, spielte von 2000 bis 2008 beim VfB Stuttgart.

Martín Demichelis

"Ich habe Philipp wachsen sehen. Er kam ja als chico zu uns, nachdem er in Stuttgart war. Was mich sofort beeindruckt hat, war seine Qualität und seine Fähigkeit, auf jeder Position zu spielen. Und mit der Zeit: seine Persönlichkeit. Er brachte nicht nur alles mit, um ein guter Profi zu werden, sondern um sich in einem großen Klub einen Platz in der Geschichte zu sichern. Er verkörpert die Art von Anführer, die ich mag. Philipp ist keiner, der Führungsqualität mit Lautstärke verwechselt. Er geht mit dem Beispiel voran. Ich habe ihn nie den Kopf verlieren sehen, uns Latinos passiert so etwas öfter. Wir haben zwei Mal bei Weltmeisterschaften gegeneinander gespielt, in Südafrika 2010 und in 2014Brasilien im Finale, beide Male verlor ich leider. Wir haben nie über diese Spiele gesprochen. Aber wenn wir uns sehen, werden wir uns immer umarmen."

Der Argentinier Martín Demichelis, 36, spielte von 2003 bis 2010 beim FC Bayern.

Micky Beisenherz

"Witze über Philipp Lahm sind so erwartbar wie der Ausgang der deutschen Meisterschaft. In erster Linie wird ja über die Größe referiert. Aber ich sag' mal so: Es gibt keine Kleinen mehr im Fußball. Okay. Ich hab's versucht. Im Ernst: Lahm bietet nur körperlich eine Angriffsfläche, aber das ist so, als würde man sich noch über Angela Merkels Frisur lustig machen. Lahm ist über jeden Zweifel erhaben, sportlich und persönlich. Und der schlechteste Witz über Lahm ist doch, dass er nie Weltfußballer geworden ist."

Micky Beisenherz, 39, ist Moderator und Autor, unter anderem für die "Heute-Show".

Rudi Völler

"Als Philipp im Februar 2004 zum ersten Mal zu einem Länderspiel kam, war er wie alle jungen Spieler: freundlich, bescheiden, zurückgezogen. Aber wenn einer so intelligent ist wie er, verschafft er sich schnell den Platz in der Mannschaft. Es waren zwei tolle Jahre mit ihm bei der Nationalelf. Was er dann später in seinem Buch geschrieben hat (über Völlers angeblich unergiebiges Training; d. Red.), das war zwar nicht seine beste Leistung, aber ich war ja nicht der Einzige in der Verlosung der Kritisierten. Wir haben später darüber gesprochen, es ist kein Problem mehr."

Der ehemalige Nationaltrainer Rudi Völler, 57, ist heute Manager bei Bayer Leverkusen.

Antje Kunstmann

"Ein kluges Fußballbuch zu schreiben, ist mindestens so schwierig, wie ein Spiel zu lesen. Er hat auch das mit Bravour geschafft."

Antje Kunstmann, 68, ist Verlegerin.

Timotheus Höttges

"Danke für das 1:0 gegen Costa Rica 2006 - der Beginn des Sommermärchens. Philipp Lahm steht für Haltung, Disziplin, Übersicht, Verlässlichkeit, Teamgeist - mit diesen Eigenschaften wäre er sicher auch als Unternehmer erfolgreich."

Timotheus Höttges, 54, ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom.

José Francisco Porras

"Aus Deutschland rufen Sie an? Wegen des Tors beim WM-Auftaktspiel 2006? Das ist ja eine Assoziation. Aber gut ... Ich erinnere mich. Wie der Ball am linken Pfosten einschlug und den 4:2-Sieg der Deutschen einleitete. Es war ein gigantisches Tor. Wobei: Er hatte auch Glück. Vor dem Spiel hatten wir uns gesagt, dass wir lange Stollen anziehen müssen, weil der Rasen feucht war. Der Spieler, den Lahm vor seinem Tor aussteigen lässt, Danny Fonseca, trug kurze Stollen. Und rutschte aus. Aber ich habe ein ruhiges Gewissen. Es war unhaltbar."

José Francisco Porras, 46, war bei der WM 2006 Torhüter von Costa Rica.

Arne Friedrich

"Bei der WM 2006 haben Philipp und ich fast täglich Tischtennis gespielt. Ein kleiner, interner Wettbewerb, der geholfen hat, mal nicht an Fußball zu denken. Ich weiß nicht, wie viele Spiele wir gemacht haben. Es waren immer sehr knappe Ergebnisse, und ich würde sagen, am Ende hat einer von uns 51 Prozent der Spiele gewonnen. Wer? Verrate ich nicht. Es soll ja auch noch ein paar Geheimnisse geben."

Arne Friedrich, 37, war Nationalspieler.

Wolfgang Schäuble

"Mehmet Scholl hat Philipp Lahms Leistung kürzlich so zusammen gefasst: 75 Prozent aller Spiele überragend gespielt, die anderen 25 Prozent Weltklasse. Ich schließe mich dem sachverständigen Urteil an. Über die fußballerische Leistung hinaus hat Philipp Lahm auch dadurch beeindruckt, dass er sich der aus der Popularität folgenden Verantwortung bewusst und würdig gezeigt hat. Für viele, nicht nur junge Menschen ist ein großer Fußballer, ob er mag oder nicht, auch Vorbild. Dem ist Lahm gerecht geworden. So wünsche ich ihm auch für seine künftigen Ziele allen Erfolg. Besonders auch für seine Stiftung, die unter anderem Sport- und Bildungsprojekte in südafrikanischen Townships unterstützt. Auch das vorbildlich."

Wolfgang Schäuble, 74, ist Bundesfinanzminister.

Fernando Torres

"Ja, unser berühmtes Laufduell 2008 in Wien. Ich erinnere mich noch, wie ich nach dem Pass von Xavi die Lücke zwischen Metzelder und Lahm suchte, um den Ball zwischen den beiden zu kontrollieren und auf Lehmann zuzulaufen. Der Pass geriet etwas weit, und als ich den Ball dann doch nicht unter Kontrolle bekam, habe ich versucht, mich außen herum von Lahm zu entledigen. Er hat ein wenig abgebremst. Wohl, weil er dachte, dass der Torwart vor mir an den Ball kommen würde. Das war ein Moment des Zweifels, wo ich aufs Tor schießen konnte. Jeder andere Spieler hätte versucht, zu grätschen. Aber das sind die Details, die dazu führen, dass Philipp nun, da er abtritt, von aller Welt bewundert wird. Je öfter wir aufeinander getroffen sind, desto größer wurde auch meine Bewunderung. Ich glaube, dass Lahm vielen anderen deutschen Spielern die Augen geöffnet hat: dass sie andere Charakteristiken haben können als die, die man bei Deutschen voraussetzt. Vor unserem letzten Duell, als Bayern in der Champions League gegen Atlético Madrid spielte, sagte er mir, dass ich immer treffe, wenn wir gegeneinander spielen - benimm dich, meinte er. Nach so vielen Schlachten bauen sich solche Beziehungen der Hochachtung unter Rivalen auf. Er hat all meinen Respekt."

Fernando Torres, 33, erzielte den 1:0-Siegtreffer für Spanien im EM-Finale 2008.

Andries Jonker

"Was mir bei Philipp immer sofort einfällt, sind die Tage vor den Spielen. Louis van Gaal hat mit dem Großteil der Spieler Positionsspiel geübt, mich hat er in der Zeit mit einer kleinen Gruppe arbeiten lassen, um die Angriffsspiel-Optionen einzustudieren. Das waren immer Lahm und Robben auf rechts, Gomez, Olic und Müller in der Mitte, dazu Ribéry und ein linker Verteidiger. Sie kennen das alle auswendig: Wie Robben nach innen zieht - und Philipp in seinem Windschatten hinterherläuft. Thomas diagonal startet, Franck wegbleibt, Mario ebenso ... Die Abläufe, die wir damals entwickelt haben, sind immer noch die gleichen beim FC Bayern, sie haben davon jahrelang profitiert. Und natürlich kann ich mich auch noch gut daran erinnern, wie Philipp in einem nicht autorisierten Interview mit Ihrer Zeitung Stellung bezog und Louis van Gaal gegen Kritik aus dem Klub in Schutz nahm. Das gab Ärger. Aber auch das ist Philipp: ein Spieler, der Mut hat, seine Meinung klar zu äußern, aber das mit Argumenten unterfüttert."

Andries Jonker, 54, ehemaliger Assistent des Bayern-Trainers Louis van Gaal, ist heute Coach des VfL Wolfsburg.

Harald Stenger

"Philipp weiß immer, was er will und sagt. Manchmal sind seine Aussagen etwas monoton vorgetragen und nicht allzu erhellend, auch weil er nichts Interessantes berichten oder abblocken will. Wenn es ihm aber wichtig ist, präsentiert er sich optimal vorbereitet, selbst in scheinbar belanglosen Worten steckte dann oft Brisanz. Ob er bei der WM 2010 seinen Anspruch auf die Ballack-Nachfolge anmeldete oder zuletzt bei der Diskussion um seine Zukunft kritische Töne gegenüber Uli Hoeneß dezent platzierte. Immer freundlich im Auftreten und professionell in der Außendarstellung, klar strukturiert denkend und clever seine Ziele verfolgend."

Harald Stenger, 66, war bis 2012 Pressechef beim Deutschen Fußball-Bund.

Harry G. 

"Philipp Lahm lebt seit über einem Jahrzehnt für den FC Bayern - so wie Hunderttausende andere Münchner auch. Er hat mit Bayern einmal die Champions League, acht mal die Meisterschaft und sechs mal den DFB-Pokal geholt - so wie Hunderttausende andere Münchner auch. Lahm ist Millionär - so wie Hunderttausende andere Münchner auch. Lahm wurde noch niemals Fußballer des Jahres - so wie Hunderttausende andere Münchner auch. Wegen Uli Hoeneß will Lahm nie Sportdirektor beim FC Bayern werden - so wie Hunderttausende andere Münchner auch. Lahm ist also ein ganz normaler Münchner, wie Hunderttausende andere Münchner auch."

Harry G., 37, ist Comedian und Münchner.

Katja Kipping

"Einen solchen Teamplayer und zugleich Führungsspieler, der seine Mitspieler auf und neben dem Rasen nahezu nie in Verlegenheit brachte, gibt es so schnell nicht wieder. Schade nur, dass sein Vereinspräsident so wenig von ihm gelernt hat."

Katja Kipping, 39, ist Vorsitzende der Partei Die Linke.

Rainer Maria Schießler

"Es war an einem Mittwoch nach der WM 2010, eine wunderschöne Hochzeit in Kleinhelfendorf draußen. Ich habe ihm hochheilig versprochen, dass ich nicht über Fußball spreche. Das wäre ja Clownerie gewesen. Ich bin ein Blauer, Sechzig-Fan, natürlich habe ich ihm das vorher gesagt. Aber der Herr Lahm ist der unfanatischste Anhänger seines Vereins, den es überhaupt gibt, durch und durch Profi. Der Herr Lahm und seine Claudia haben sich ,Weusd' a Herz hast wie a Bergwerk' gewünscht. Er hat vor der Trauung bei mir in der Sakristei gewartet. Er war nervös, wie jeder Bräutigam gefälligst nervös zu sein hat: eine gewisse Grundnervosität. Aber er war still, kein oberflächlicher Smalltalk. Beim Herrn Lahm wird nix gesprochen, bloß, damit Luft verbraucht wird. Man hat gespürt, dass es ihm zu Herzen geht. Tränen? Ja, das passiert bei jeder guten Hochzeit. Der hat den Akt nicht einfach runtergespult. Wie die Hochzeit vorbei war, durfte ich ihn in den Arm nehmen. Ich habe gesagt: ,Es war mir eine ganz große Ehre.' Er hat sich höflich bedankt und gesagt: ,Mir auch.' Ist doch schön."

Rainer Maria Schießler, 57, ist Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Maximilian.

Olli Dittrich

"Ich hatte mal die große Freude, Philipp Lahm für ein längeres Gespräch zu begegnen, was eine ganz erstaunliche Erfahrung war. Mir saß ein herzensgebildeter junger Mann gegenüber, der - egal welche großen Erfolge, welche Popularität ihm auch zuteil wurde - seinem herausragenden Talent stets Fleiß, Disziplin und Bescheidenheit voranstellte. Ein kluger Kopf mit Haltung, der keine Show abzieht."

Olli Dittrich, 60, ist Komödiant.

Knut Kircher

"Ich habe Lahm oft gepfiffen, und natürlich waren wir mal unterschiedlicher Meinung. Aber ich habe keine einzige unangenehme Szene in Erinnerung. Er hat einem schon deutlich gemacht, wenn ihm mal eine Entscheidung missfallen hat, aber in Ton und Wortwahl war es immer vernünftig und fundiert. Er hat einem auch kein Theater vorgespielt. Ich fand ihn immer sehr authentisch, und man konnte die Dinge auch mal mit einem Scherz regeln. So stellt man sich den idealen Kapitän vor."

Knut Kircher, 48, war DFB-Schiedsrichter.

Neven Subotic

"In den Ansprachen von Jürgen Klopp damals beim BVB gegen die Bayern ist er nie aufgetaucht. Wir mussten nicht groß über ihn sprechen. Wir wussten ja, dass er wahrscheinlich eher keine Fehler machen wird. Wir haben die Schwächen des Gegners gesucht - und Philipp Lahm ist bei den Bayern nicht die Schwäche gewesen."

Verteidiger Neven Subotic, 28, spielte bis Ende 2016 für Borussia Dortmund.

Edmund Stoiber

"Philipp Lahm ist nicht nur ein herausragender Fußballer, sondern auch ein exzellenter Gesprächspartner mit hohem Interesse an politischen und gesellschaftlichen Themen. Ich habe ihn beim Staatsakt für Roman Herzog im Berliner Dom getroffen. Wir haben uns in eine Ecke gestellt, um in Ruhe über seine Zukunftspläne zu sprechen. Nach und nach bildete sich aber eine Schlange von Prominenten, die alle ein Selfie mit ihm machen wollten. Wir mussten unser Gespräch deutlich abkürzen."

Edmund Stoiber, 75, war bayerischer Ministerpräsident.

0 rote Karten

und keine einzige Bundesliga-Sperre in 14 Jahren - so lautet Philipp Lahms beeindruckende Fairplay-Bilanz. Insgesamt sah er als zumeist defensiv eingesetzter Spieler nur 24 gelbe Karten, davon niemals mehr als drei in einer Saison. Zwischen Herbst 2014 und 2015 beging er 13 Monate lang in der Bundesliga kein einziges Foul. Allerdings stand die "Null" bei Lahm auch in einigen anderen kuriosen Rubriken: So wurde er als einer der besten Spieler der Welt bisher kein einziges Mal zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt. Und auch ein Tor in der Champions League hat Lahm nie erzielt.

Jupp Heynckes

"Philipp war auch deswegen eine Ausnahmeerscheinung, weil er nicht der Athlet ist, den man sich als Abwehrspieler vorstellt: nicht besonders groß, nicht besonders kopfballstark, aber wendig, quirlig, geschickt. Er antizipiert, er ist taktisch so geschult wie kein anderer und ist unglaublich zweikampfgeschickt. Er wusste, wann muss ich mich einschalten, wann das Tempo herausnehmen. Bei Philipp sucht man nach Schwächen, aber: Man findet die nicht. Das heißt nicht, dass er nicht aus sich herausgehen konnte. Wir haben meistens donnerstags sogenannte Sechs-Tore-Spiele gemacht, mit zwei großen und je zwei kleinen Tore an den Seiten. Ich war Schiedsrichter, weil Hermann Gerland das nie machen wollte. Wenn Philipp gefoult wurde, hat er mich entrüstet angeguckt und war sauer. Hinterher haben wir uns vertragen. Feiern kann Philipp übrigens auch. Nach unserem Triple-Sieg war er völlig losgelöst. Ich weiß noch, wie er nach dem Champions-League-Sieg der letzte war, der nach Hause gegangen ist. Da war er, glaube ich, 24 Stunden auf den Beinen."

Jupp Heynckes, 72, war drei Mal Trainer des FC Bayern und gewann 2013 das Triple.

Bastian Schweinsteiger

"Philipp wusste immer genau, wann Abfahrt war, wann Training war. Ich hatte manchmal ein bisschen Probleme, das einzuschätzen - aber wenn du Philipp kontaktiert hast, der wusste das immer sofort. Man konnte sich immer auf Philipp verlassen, und das war immer ein tolles Gefühl."

Weltmeister Bastian Schweinsteiger, 32, spielt inzwischen bei Chicago Fire.

Stefan Viehauser

"Fußballgott? Das ist für uns Bayern-Fans der Bastian Schweinsteiger. Mit Philipp Lahm ist es komplizierter. Der Respekt vor ihm als Fußballer war immer riesig. Aber es war ein bisschen schwierig, ihm als Person nahezukommen. Er ist zwar Münchner, aber lange nicht so greifbar gewesen für uns Fans. Keine Lausbubengeschichten wie Schweinsteiger, kein Feierbiest. Das kann man ihm nicht übel nehmen. Es hat sich da aber doch etwas gewandelt. Ich erinnere mich ans Supercup-Finale 2013 in Prag, 5:4 nach Elfmeterschießen gegen Chelsea. Ich gehe seit 21 Jahren in die Kurve, aber so eine Stimmung habe ich noch nie erlebt. Und was macht Lahm hinterher? Er nimmt den Pokal, stellt ihn vor die Kurve und geht wieder. Wie um zu sagen: Das ist euer Pokal. Respekt."

Bayern-Fan Stefan Viehauser, 39, ist Mitglied der Fan-Vereinigung Club Nr. 12.

  • Philipp Lahm

    geboren am 11. November 1983 in München - verheiratet, 1. Sohn (Julian).

    Vereine

    1989 - 1995 FT München-Gern

    1995 - 2017 FC Bayern

    2003 - 2005 VfB Stuttgart (Leihe)

    Pflichtspiele Verein: 651 (22 Tore)

    FC Bayern: 580/19

    (Debüt: 13. November 2002)

    Stuttgart: 71/3

    Bundesliga: 384 (14)

    Champions League: 114 (0)

    A-Länderspiele DFB 113 (5)

    Debüt: 18. Februar 2004 in Kroatien

    Kapitän: 2010 bis 2014

    Letztes DFB-Spiel: WM-Finale 2014

  • Philipp Lahm

    Titel

    Weltmeister 2014

    Champions-League 2013

    Fifa-Klub-Weltmeister 2013

    Europäischer Uefa-Supercup 2013

    Deutscher Meister (8) 2006, 2008, 2010, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017. Damit persönlicher "Rekordmeister" neben Bastian Schweinsteiger, Oliver Kahn und Mehmet Scholl.

    DFB-Pokal (6): 2006, 2008, 2010, 2013, 2014, 2016

    Deutscher Supercup: 2010, 2012, 2016

  • Philipp Lahm

    Auszeichnungen

    Fußballer des Jahres: Zweiter 2004, Dritter 2006.

    Silbernes Lorbeerblatt: 2006, 2010, 2014.

    Mitglied in der "Hall of fame" des FC Bayern München (ab sofort)

  • Philipp Lahm

    Verletzungen /Ausfälle FC Bayern

    2004/05 Ermüdungsbruch (94 Tage / 12 verpasste Spiele)

    2004/05 Kreuzbandriss (179/40)

    2008/09 Knöchelprobleme (21/5)

    2008/09 Wadenverhärtung (7/2)

    2009/10 Grippe (3/0)

    2011/12 Knieprobleme (3/0)

    2012/13 Muskelverhärtung (4/1)

    2013/14 Muskelverhärtung (7/3)

    2014/15 Magen-Darm-Grippe (4/1)

    2014/15 Sprunggelenksbruch (109/17)

    2015/16 Muskelverhärtung (17/2)

    2016/17 Magen-Darm-Grippe (4/1)

    2016/17 Muskelverhärtung (3/1)

    Damit hat Philipp Lahm nach seinen beiden schweren Verletzungen zu Beginn der Karriere in den vergangenen zwölf Jahren nur 16 Pflichtspiele wegen Verletzungen oder Krankheiten verpasst.

Uwe Strohdeicher

"Philipp Lahm hat uns mit Thomas Müller während des Fluges von Rio nach Berlin im Cockpit besucht. Auch wenn man weiß, dass einer als Nebenmann von Müller wenig zum Reden kommt, konnten wir, der Flugkapitän und der Fußballkapitän, uns in den jeweiligen Fachfragen gut austauschen. Lahm hat sich sehr interessiert an der Fliegerei gezeigt. Bei mir hat sich eine Aussage besonders eingebrannt: Er sagte mir, dass es ein einzigartiges Gefühl für ihn gewesen sei, dass er als Kapitän als erster den WM-Pokal hochgehalten hat."

Uwe Strohdeicher, 52, Flugkapitän bei der Lufthansa, flog die Nationalelf nach dem WM-Sieg 2014 von Rio nach Berlin.

Michel Decar

"Der Dramatiker hat's nicht leicht mit Philipp Lahm. Keine Affären im P 1, keine Mauschelei bei der Steuererklärung, nicht mal Luxusuhren durch den Zoll gemogelt. All das muss man also ertragen und auch noch neidlos anerkennen: Er spielte den schönsten Fußball seit Beckenbauer, ach was, schöner als Beckenbauer! Sein Stil glich dem eines Diamanten oder Zahnarztbohrers oder der Bundesrepublik im 21. Jahrhundert. Präzise, freundlich, gnadenlos. Deutscher als Lahm konnte man das Spiel nicht interpretieren, exemplarischer konnte man nicht für Deutschland stehen."

Der Augsburger Dramatiker und Regisseur Michel Decar, 30, hat für das Münchner Residenztheater das Stück "Philipp Lahm" geschrieben, das im Dezember Premiere hat.

Albert Ostermaier  

ode an lahm

er ist der intelligenteste

spieler den ich je trainiert

habe sagt sein trainer er

stört lässt keinen frieden

keine zeit setzt unter druck

ist lästig läuft ab läuft heiss

läuft auf zu einer form die

form gibt er formatiert das

spiel spielt frei spielt steil

spielt seine rolle ist von ihr

überzeugt dass er das zeug

hat zu allem zu tauschen

um zu täuschen seine werte

zu verwerten und jedem

zu verwehren ihn wehrlos

zu sehen der ball ist wie

ein arm den er um seine

freunde legt er ist der

schatten den sie suchen

wenn sie im licht stehen

in der hitze des augenblicks

das auge und der blick er

rastet nicht aus aber rastet

nicht er rast auf dem

rasen mit einem herz das

er sich nicht abledern lässt

er hebt es wie seinen kopf

dem wenn die beine müde

werden nie die luft weg

bleibt er ist dort wo man

auf ihn zählt und meistert

am ball die welt

Albert Ostermaier ist Dramatiker und Bayernfan - seine Ode an Philipp Lahm stammt aus dem Jahr 2013.

Gesammelt von Javier Cáceres, Caspar Busse, Claudio Catuogno, Roman Deininger, Anna Dreher, Korbinian Eisenberger, Sebastian Fischer, Cerstin Gammelin, Christopher Gerards, Holger Gertz, Alexander Gorkow, Johannes Kirchmeier, Barbara Klimke, Christof Kneer, Jürgen Schmieder und Philipp Selldorf.



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